"Vor dem 11. September steuerten die Beziehungen zwischen dem mächtigsten Staat der Welt und dem bevölkerungsreichsten auf Konfrontation zu", schrieb Mohan Malik in einem Bericht an das einflussreiche Asien-Pazifik-Zentrum für Sicherheitsstudien des US-Militärs. Unabhängig davon zitierte das Asien-Zentrum der Harvard-Universität den früheren Botschafter der USA in China, Admiral Joseph Prueher, der sagte: "Durch den 11. September haben wir einen anderen Feind gefunden." Ein erschreckendes Indiz deutet jedoch jetzt darauf hin, dass sich die USA - nach der Beendigung der Feindschaft mit dem Nahen Osten sowie der Beruhigung der Nordkorea-Krise - auf den Konfrontationskurs mit China begibt, von dem sie der 11. September abgelenkt hatte.
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US-Admiral a.D. Tom Moorer (früher Vorsitzender des Militäroberkommandos, einer der höchsten Militärposten in den USA) erklärte, dass China "ein Feind ist, der - so deutlich wie nie zuvor - versucht, uns zu verdrängen". Die Meinung des Admirals spiegelt Absichten der US-Neokonservativen wider, die seit 1997 immer stärker versucht haben, eine endgültige Auseinandersetzung mit China zu erreichen. Es gibt weit verbreitete Berichte, dass Regierungsspitzel einem solchen "Showdown" 2001 in dem Vorfall rund um den US-Spionagejet neue Nahrung geben wollten. Die führenden Köpfe hinter dieser Offensive kamen aus Denkfabriken wie dem "Projekt für das neue amerikanische Jahrhundert" (PNAC), von dem 40 Prozent der Gründungsmitglieder in die Bush-Regierung kamen, und aus Zeitschriften wie dem "Weekly Standard".
"Unvermeidlicher Konflikt"
Ein Artikel in eben diesem Magazin aus dem Jahr 1997 forderte, dass der "unvermeidliche Konflikt (mit China, Anm.) all unser Denken und Handeln beeinflussen müsste". 2002 argumentierte der "Weekly Standard", dass "nach den Einstufungen des Pentagon die von China gesetzten Aktionen bereits das Militär in Alarmbereitschaft versetzt". Das US-Militär war schon seit dem Jahr 2000 mit dem Aufbau des "Zentrums für die Untersuchung der chinesischen Militärangelegenheiten" beschäftigt. Sowohl das Militärcollege der Army als auch jenes der Navy begannen kurz darauf damit, sich auf die sogenannte "China-Bedrohung" zu konzentrieren.
Ex-Präsident Bill Clinton wurde von den Neokonservativen wiederholt scharf kritisiert, diese Bedrohung ignoriert zu haben. Admiral Moorer machte damals den Vorwurf, dass "unser Land sehen kann, wohin unser Oberbefehlshaber (Clinton, Anm.) hinsteuert, und es ist nicht gegen unseren Feind (China, Anm.)".
Dauer-Konfliktherd Öl
Wie im Persischen Golf ist Öl auch hier ein Schlüsselfaktor. Öl- und Gasfelder auf den Spratly-Inseln im Südchinesischen Meer werden hierbei von den meisten Experten als wahrscheinlicher Konfliktherd angesehen.
Der angesehene Energie-Rundbrief "Alexander's Gas & Oil Connections" titelte im Juni 2002: "Der Streit um die Spratly-Inseln blockiert Erkundungen im Südchinesischen Meer". Abgedruckt wurde dazu ein Dow Jones-Bericht, in dem die Spratly-Inseln als "Gebiet, das angeblich reich an unterirdischen Öl- und Gasvorkommen ist" bezeichnet wurde. Ironie des Schicksals: In einem Bericht der US-Energieinformationsverwaltung vom März 2002 wird folgender Vergleich gebracht: "Die Region der Spratly-Inseln könnte zu einem zweiten Persischen Golf werden". Die Verfasser wollten damit allerdings nur auf die Tatsache hinweisen, dass die Chinesen Anspruch auf die reichen Energievorkommen in dem Gebiet erhoben hatten.
Zehnfacher Energiebedarf
China, mit dem drittgrößten Ölverbrauch der Welt, muss einen großen Teil an Energie importieren. Die Zukunftsprognosen für den Energieverbrauch des Landes sagen eine Steigerung um das Zehnfache voraus.
Das Öl der Spratly-Inseln wird daher als "lebenswichtig" für die Zukunft gesehen, besonders im Licht der Veränderungen im Nahen Osten. Die Chinesen verstärkten auch Energiekäufe und schlossen Abkommen über eine gemeinsame Erschließung von Ressourcen, darunter auch ein vor dem Krieg mit dem Irak abgeschlossenes über dessen Ölfelder. Vor dem Irak-Krieg kamen sechzig Prozent der Energieimporte aus dem Persischen Golf. Dieser Anteil befindet sich jetzt im Einflussbereich der USA. Der "Toronto Star" berichtete im vergangenen März, dass viele Beobachter "Öl und Macht" als Grundlage für den Irak-Krieg sehen. Der Krieg sei "um den strategisch wichtigen Irak geführt worden, um die Kontrolle über die Golfstaaten" zu erlangen. Dadurch hätten die USA jetzt auch mehr "Einfluss über China und Russland, da sie den Ölhahn kontrollieren".
Der Gebietsanspruch Chinas (gemeinsam mit Taiwan) auf die Spratly-Inseln, die nicht nur reich an Öl sondern auch reich an Fisch sind, wird von den Philippinen, Vietnam, Malaysien, Indonesien und Brunei streitig gemacht.
Seit 1956 besetzt
Eine wichtige Anmerkung zu diesem Konflikt bietet eine Analyse aus dem Frühjahr 1998 mit dem Titel "Einschätzung des Vordringens Chinas im Südchinesischen Meer, Identifikation von Auslösern von ,Expansionismus'", veröffentlicht vom US-Marinecollege. Die Analyse ergab vor allem, dass die Chinesen seit 1956 die größte Insel der Spratly-Gruppe besetzt hatten, "was es den Chinesen unter geltendem Recht das Eigentumsrecht über das ganze Archipel verschaffte". Die Analyse nannte als Hintergrund für Machtansprüche anderer Staaten auf die Inseln die internen Unruhen rund um die Chinesische Kulturrevolution.
Heute - nachdem einer neuen Umfrage zufolge 56 Prozent der amerikanischen Bevölkerung Militärmaßnahmen gegen den Iran unterstützen - ist es wichtig anzumerken, dass PNAC bereits im Jahr 2000 dazu aufrief, sich den "möglichen Gegnern von China bis Iran" zu stellen. Das PNAC verlangte zur gleichen Zeit den Abbau von US-Militärbasen in Europa und eine dementsprechende Aufstockung im Pazifik.
Dieser Plan wurde vom amerikanischen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld (Gründungsmitglied des PNAC) unterstützt; die Aufstockung sollte gegen China gerichtet sein. Am 1. Juni begann nun Aaron Friedberg (Gründungsmitglied des PNAC; er gehört angeblich zu denen, die einen offenen Konflikt zwischen den USA und China für unvermeidbar halten) seine Arbeit als stellvertretender Nationaler Sicherheitsberater für den Vizepräsidenten Dick Cheney (Gründungsmitglied des PNAC). Friedberg wird Teil des außenpolitischen Teams Cheney's unter Lewis Libby (Gründungsmitglied des PNAC). Libby saß auch in der Cox- Kommission des Kongresses, der die Vorwürfe chinesischer Spionage und politischer Beeinflussung prüfte. Die Kommission wurde wegen zahlreicher falscher Aufdeckungen heftig kritisiert. Die Fehlinformationen ähneln jenen, die von den Neokonservativen präsentiert wurden, um den Irak-Krieg zu legitimieren.
Nun zur Position Bushs: Noch als Präsidentschaftskandidat sagte er "China ist ein Konkurrent, kein strategischer Partner". Heute gewichtet das Pentagon seine Anstrengungen neu, um diese Meinung widerzuspiegeln und den Pazifik als nächste große Konfliktarena zu sehen. Der Verteidigungsexperte William Pfaff warnte jedoch im April 2001, dass sich die USA China nicht "zum Feind" machen sollten. Nach Pfaffs Einschätzung deuten jedoch die Aktionen, die die aktuelle US-Regierung setzt, "darauf hin, dass das Land in genau diese Richtung steuert - und das mit beunruhigender Gleichgültigkeit". Der Journalist John Pilger brachte im Jänner 2003 die Ziele der US-Regierung auf den Punkt: "Die Unterwerfung Chinas."
China bändigen
Derzeit versuchen die USA angeblich durch ein wachsendes Netzwerk regionaler Allianzen, "China zu bändigen". Die "Allianz" mit Indien wurde öffentlich bekannt, nachdem im April Jane's, eine hoch angesehene Verteidigungsforschungsgruppe, einen Bericht über die US-Indischen Beziehungen herausbrachte. Diesem Bericht liegt eine geheime 130-Seiten-Analyse für Rumsfeld zugrunde. Darin wird argumentiert, dass China "als ein wirtschaftlicher und militärischer Konkurrent die größte Bedrohung für die Zukunft der Sicherheit beider Länder (USA und Indien, Anm.) darstellt."
Die "Chicago Tribune" schrieb am 21. Juni, dass Indien und China versuchten, Gemeinsamkeiten zu finden - auf Drängen Russlands: Große Länder wie China, Russland und Indien sollten enger zusammenarbeiten, um den Einfluss der USA auszugleichen. Aber Vietnam, Singapur und zum Teil auch die Philippinen haben offensichtlich andere Interessen.
Bereits 1996 gab es Berichte über eine Einladung Vietnams an die USA, die während des Vietnamkriegs gebaute Cam Ranh Bay Marinestation wieder zu beziehen. 2001 sagte die einflussreiche Denkfabrik für Verteidigungsfragen, die Rand Corporation, eine Rückkehr in diese Militärbasis für den Fall voraus, dass sich Vietnam von China bedroht fühlte. China und Vietnam haben zwei kleinere Gefechte um die Spratly-Inseln geführt (1974 und 1988), der Grund waren Ölförderrechte. Seit dem Verlust der Marinestation Subic Bay auf den Philippinen 1992 ist die USA in dem Gebiet ohne größere permanente Militärbasis.
Philippinen umgarnt
Derzeit werden die Philippinen von der Bush-Regierung umgarnt. Der Staatschefin wurde im Mai laut Nachrichtenagentur Associated Press (AP) ein "königlicher US-Empfang" zuteil. Die Agentur berichtete auch, dass Bush seit seinem Amtsantritt nur drei Staatsbesuche empfangen habe. Vergangenes Jahr, in der Zeit bis zu den Wahlen auf den Philippinen, hielt das Militär gemeinsam mit der US-Armee Manöver ab - die ersten seit langem und ungewöhnlich lange: Sie dauerten von Jänner bis Juli 2002.
In den 1980er Jahren haben Rebellen auf den Philippinen mehrere Versuche unternommen, den von den USA gestützen Diktator Ferdinand Marcos zu stürzen. 1989 entsandte die USA Kampfflugzeuge von der philippinischen Militärbasis Clark Air Base, um die damalige philippinische Regierung zu unterstützen. Sie lösten damit etwas aus, was "nationalistische Gegenoffensive" genannt wird und 1992 zum Rückzug der USA aus ihrer früheren Kolonie führte.
Seither hatten die Philippinen diverse bewaffnete Zwischenfälle mit China zu verzeichnen. So versenkte die philippinische Marine 1999 zwei chinesische Fischerboote bei den Spratly-Inseln. Seit den 1970er Jahren versuchen die Philippinen, die 1951 einen Verteidigungsvertrag mit den USA geschlossen haben, erfolglos, die Spratly- Inseln in ihr Territorium einzugliedern. Ein offener Konflikt zwischen den Philippinen und China um die Inselgruppe wird als einer der möglichen Faktoren für eine offene Konfrontation zwischen den USA und China gesehen.
2001 berichtete das Cato Institut, eine angesehene Denkfabrik, über eine erneuerte Militärkooperation zwischen den Philippinen und den USA. Das Institut hoffte jedoch auf "viel mehr, am allerwichtigsten ist die Unterstützung der USA (für die Philippinen, Anm.) in ihrem andauernden Territorialkonflikt mit China um die Spratly-Inseln". In diesem Zusammenhang hat eine Aussage große Bedeutung:
In einem Artikel der Zeitung des US Army War College, "Parameters", vom August 2001 mit der Überschrift "Ein unvermeidbarer Krieg: Zwingende Eindämmung und das US-China-Gleichgewicht" berichtete Lt. Colonel Roy C. Howle, Jr. dass "die Spratly-Inseln der gefährlichste Konfliktherd in Ostasien sind".
Provokatives Vorrücken
Howle fordert ein provokatives Vorrücken von US-Truppen, so dass sie "automatisch beteiligt wären, falls China angreifen sollte". Somit würde der demokratische Prozess um einen Kriegseinsatz umgangen. Sehr eindeutig hält Howle fest, dass "Amerika sich noch nicht der zentralen Frage gestellt hat, ob es eine Welt mit einem oder mit mehreren Machtzentren will" - ein Amerikanisches Empire oder eine Welt der Vielfalt.
Apropos Amerikanisches Empire: Das PNAC hat sich der Ansicht verpflichtet, "dass US-Führung sowohl für Amerika als auch für den Rest der Welt gut ist."
Übersetzung: Barbara Ottawa