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Vor Verbot jeglicher politischen Aktivität auf ethnischer Basis

Von Christa Schwab

Politik

Kigali - Die Bevölkerung von Ruanda ist heute, Montag, dazu aufgerufen, eine neue Verfassung zu wählen. In deren Mittelpunkt steht die Einheit des ruandesischen Volkes und das Verbot jeder Form von politischer Tätigkeit auf ethnischer oder "divisionistischer" Basis. Dadurch soll eine Wiederholung des Völkermords von 1994, dem über eine Million Menschen, überwiegend Angehörige der Tutsi-Minderheit, zum Opfer gefallen sind, nie mehr möglich sein.


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Das Referendum und die in den kommenden sechs Monaten geplanten Präsidenten- und Parlamentswahlen sollen die von der Regierungspartei Patriotische Front Ruandas (FPR) in einer Koalition geleitete neunjährige Transitionsphase beenden und die Demokratisierung einleiten.

Der Demokratiesierungswille der regierenden FPR wird jedoch durch das drohende Verbot der stärksten potenziellen Oppositionspartei MDR (Demokratische Republikanische Bewegung) in Frage gestellt. Der von moderaten Hutus dominierte MDR, die in der Transitionsphase mit der FPR und weiteren sechs kleinen Parteien in einer Einheitskoalition regiert hatte, wurde plötzlich vorgeworfen, genozidäres Gedankengut verbreiten zu wollen. Die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" entgegnete, die Mitglieder der MDR seien selbst Opfer von radikalen genozidären Hutus gewesen und das drohende Verbot der Partei ziele einzig auf die Ausschaltung der stärksten Oppositionspartei.

In Ruanda selbst hat das bevorstehende Verbot der MDR keine lautstarken Proteste evoziert. Oppositionelle Debatten sind in diesem Land mit einem allgegenwärigen Geheimdienst sowieso nicht erwüscht.

Die einfachen Bauern, die 90 Prozent der Bevölkerung bilden, wirken autoritätshörig und scheinen vor allem an Frieden und stabiler Entwicklung interessiert zu sein. Doch ob die von der Regierung diktierte Versöhnung fruchtet und alle Wunden wirklich geheilt werden können? Faustin, Chauffeur und ein Angehöriger der Tutsi-Minderheit, der fast 20 Familienangehörige in den drei Monaten des Genozids verlor und selbst nur wie durch ein Wunder überlebte, hegt Zweifel und meint dennoch: "Wir müssen es versuchen. Was bleibt uns denn anderes übrig."

Die Mörder seiner Familie sind wie viele andere Täter auch in die Republik Kongo geflohen, nachdem die von Tutsis dominierte Armee der FPR von Uganda aus in Ruanda eingefallen war, den Völkermord beendete und ihr Regime errichtete. Doch auch der Patriotischen Front werden von Menschenrechtsorganisationen Kriegsverbrechen vorgeworfen.