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Vor verschlossener Tür

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft

Wird einem Mieter das Türschloss seiner Wohnung vom Eigentümer ausgetauscht, hat das für den Vermieter keine strafrechtlichen Konsequenzen.


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Wien. Als der Mieter seine Wohnungstür aufsperren möchte, passt sein Schlüssel nicht. Die Vermieterin hat das Schloss ausgetauscht - der Reisepass liegt im Postkasten, die Dokumente wurden in einen Koffer gepackt und in den Keller verfrachtet, die persönlichen Sachen in schwarze Müllsäcke gestopft. Das ist einem Mieter pakistanischer Abstammung mit unbefristetem Mietvertrag in Wien passiert, wie Rechtsanwalt Bernhard Brehm beschreibt: "Die Einbauküche wurde ausgebaut, der volle Kühlschrank stand im Keller." Die Miete hatte er immer bezahlt, betont Brehm.

"Wenn der Mieter kein Geld für den Rechtsanwalt hat oder schlecht Deutsch spricht, dann kommen skrupellose Vermieter mit dieser ,kalten Delogierung‘ sogar durch. Schnell wird dann die Wohnung zu einem höheren Mietzins an einen neuen Mieter weitervermietet und die Aktion hat sich für den Vermieter mehr als ausgezahlt", sagt Brehm.

Zivilrechtlich können sich Mieter wehren - doch das dauert und kostet Geld. Der Vermieter darf das Schloss nicht austauschen - außer es ist Gefahr im Verzug, also es gibt einen Brand oder einen Wasserschaden. Betroffene Mieter, die einen aufrechten Mietvertrag haben, können in diesem Fall zivilrechtlich binnen 30 Tagen eine Besitzstörungsklage einbringen, erklärt Nadja Shah, Bundesgeschäftsführerin der Mietervereinigung Österreichs. Zudem können Mieter das Schloss selbst wieder austauschen. Beides machte der betroffene Mieter - allerdings tauschte die Vermieterin binnen weniger Stunden erneut das Schloss aus, so Brehm. Das zuständige Bezirksgericht gab dem Mieter recht. Die Eigentümerin ging in Berufung.

Außerdem könnten Mieter, denen das Wohnungsschloss ausgetauscht wird, eine Strafanzeige wegen dauernder Sachentziehung einbringen, rät Shah. Dieser Tatbestand ist erfüllt, wenn einer jemand anderem eine fremde bewegliche Sache aus dessen Gewahrsam dauernd entzieht, ohne die Sache sich oder einem Dritten zuzueignen. Bei einer Verurteilung droht eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen.

Strafrechtlich wurde die Vermieterin im beschriebenen Fall vom Straflandesgericht Wien freigesprochen, weil das Gericht der Vermieterin keinen Vorsatz für vorübergehende Unbrauchbarmachen (Sachbeschädigung) nachweisen konnte. "Es wäre ein falsches Signal für skrupellose Vermieter, wenn diese strafrechtlich bei solch einem Verhalten nichts zu befürchten hätten", sagt Anwalt Brehm. Verstöße gegen das Ablöseverbot können hingegen bis zu 22.500 Euro an Verwaltungsstrafe zur Folge haben.

Vom Straflandesgericht Wien heißt es, das Schloss auszutauschen sei kein strafrechtlicher Tatbestand. Der Tatbestand Hausfriedensbruch wird ebenfalls nicht erfüllt, weil sich keine Person in der Wohnung befand.

Delogierungen können dauern

Von der Mietervereinigung heißt es, der Schlossaustausch sei "kein gängiges Verhalten von Mietern und Vermietern", um Mieter loszuwerden. Auch Mieter rauszuekeln, wie im Fall der "Pizzeria Anarchia" in Wien, die für Schlagzeilen sorgte, sei unüblich.

Deutlich häufiger kommt allerdings vor, dass der Vermieter einen Antrag auf Räumungsexekution stellt. Im Vorjahr war das 13.320 Mal österreichweit der Fall, heißt es auf Anfrage vom Justizministerium. 4955 Räumungen wurden durchgeführt, nach 4936 im Jahr 2012. In den Jahren zuvor lag die Zahl der Räumungen noch über 5000.

Gläubiger verzichten oft darauf, die Räumung durchführen zu lassen, wenn die Schuldner den geschuldeten Betrag zahlen oder eine Ratenvereinbarung abschließen. Häufigster Grund für Räumungen ist laut Justizministerium, dass Mietverträge nicht eingehalten werden. Bezahlt ein Mieter den Mietzins nicht rechtzeitig, klagen Vermieter sehr schnell. Es reicht, wenn einmal der Betrag nach dem 5. des Monats eingezahlt wurde.

Aus Sicht des Vermieters kann es unangenehm lange dauern, bis man einen nicht oder schleppend zahlenden Mieter loswird, so Brehm. "Die Verfahren dauern so lange, weil man monatelang auf einen Termin beim Bezirksgericht wartet und es in der Regel einen zweiten Termin gibt", so Shah.