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Vor zehn Jahren bereitete der Irak den Weg zum Golfkrieg

Von Hans Dahne

Politik

Bagdad - Vor zehn Jahren, am 2. August 1990, hat eine halbe Million irakischer Soldaten mit wehenden roten Fahnen auf ihren Panzern das Nachbarland Kuwait überfallen. Die Schockwellen dieser Aggression wirken noch ein Jahrzehnt später. Der irakische Präsident Saddam Hussein sitzt heute offenbar weiter fest im Sattel. Ein für Juni 1996 geplanter Putsch des US-Geheimdienstes CIA scheiterte ebenso wie der Versuch, die zersplitterte und zerstrittene Opposition unter einen Hut zu bringen. Bis heute klagte kein internationales Gericht die Hauptschuldigen des Krieges an.


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Weil die irakische Führung erst jahrelang Katz und Maus mit den UNO-Abrüstungsexperten spielte und dann die Zusammenarbeit 1998 völlig einstellte, leiden knapp 22 Millionen Iraker das zehnte Jahr unter den UNO-Sanktionen. 1,3 Millionen Menschen sollen nach Angaben Bagdads an den Folgen des Embargos gestorben sein.

Aus Sicht der USA und Großbritanniens ist die Welt ein Stück sicherer geworden, weil ein weitgehend abgerüsteter Irak keine unmittelbare Gefahr mehr für seine Nachbarn darstellt. Andererseits fliegen US-Kampfflugzeuge seit 18 Monaten ohne UNO-Mandat fast täglich Einsätze gegen Ziele im Irak. Dabei sterben auch Zivilisten.

Kritiker bemängeln eine fehlende klare Irak-Politik der US-Regierung. Daran werde sich bis zum Amtsantritt eines neuen US-Präsidenten im Jänner 2001 nichts ändern. Für den früheren UNSCOM-Chefinspektor im Irak, Scott Ritter, ist die Alternative klar: Entweder die Aufnahme eines politischen Dialogs mit Saddam oder der Einsatz von 250.000 Soldaten zur militärischen Befreiung des Iraks.

Rückblick auf den Juli 1990: Die Iraker murren, weil sich ihr Leben seit Ende des Krieges gegen den Iran nicht verbessert hat. Damals flossen bereits Milliarden US-Dollar in die Aufrüstungsprogramme. Die irakische Führung gerät weiter unter Druck, als Kuwait 14 Milliarden US-Dollar (14,9 Mrd. Euro/205 Mrd. S) Kredite nur gegen ein Grenzabkommen streichen will. Als die Erdölpreise in sieben Monaten von 21 auf elf US-Dollar je Barrel purzeln, macht Saddam Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate verantwortlich und spricht vom "Kriegszustand". Er verlangt Zugeständnisse, weil im Krieg gegen den Iran "Ströme von Blut" auch zur Verteidigung der arabischen Nachbarn geflossen seien.

Am 19. Juli beginnt der Irak mit der Truppenverlegung. Davon alarmiert, trifft die damalige US-Botschafterin April Glaspie am 25. Juli mit Saddam Hussein zusammen. Im Gesprächsprotokoll, zu dessen Richtigkeit sich die US-Regierung nicht äußerte, ist die Drohung Saddams kaum übersehbar: "Wenn wir uns treffen (mit den Kuwaitis) und wir sehen, dass es Hoffnung gibt, dann wird nichts passieren. Aber wenn wir keine Lösung finden, dann ist es doch natürlich, dass der Irak nicht den Tod akzeptiert."

Glaspie wird so zitiert: "Ich habe direkte Instruktionen vom Präsidenten (George Bush), nach besseren Beziehungen mit dem Irak zu suchen", und "wir haben keine Meinung zu arabisch-arabischen Konflikten wie den Grenzstreit mit Kuwait". Glaspie antwortete später auf die Frage, ob sie Saddam nicht geradezu zur Invasion ermutigt habe: "Offensichtlich habe weder ich noch sonst jemand gedacht, dass die Iraker ganz Kuwait einnehmen würden." Diese Sätze lassen sowohl die irakische Führung als auch Intellektuelle quer durch die arabische Welt bis heute an eine Verschwörungstheorie glauben. Danach sei es Ziel der Amerikaner gewesen, den militärisch starken Irak als Gefahr für Israel auszuschalten und außerdem die Machtbalance in der arabischen Welt nicht von einem aufgerüsteten Saddam Hussein aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen.

"Zehn Jahre nach der irakischen Invasion haben sich die USA fest als wichtigster Machtfaktor in der arabischen Welt etabliert durch ihren politischen und militärischen Einfluss", sagt Gamal Abdel Gawad vom Kairoer Al-Ahram-Zentrum für politische Studien.

Nach dem Überfall sind die Wunden in der arabischen Welt bis heute nicht geheilt. Weil sie keine gemeinsame Irak-Politik finden, haben sich die 22 Staats- und Regierungschefs der Arabischen Liga im vergangenen Jahrzehnt nur ein einziges Mal 1996 in Kairo getroffen. Abgesehen von Saudiarabien und Kuwait tendiert die öffentliche Meinung der Araber jedoch eher zu einer völligen Aufhebung der UNO-Sanktionen, um das Leid der "irakischen Brüder" zu mildern.

Auch der Ende März aus seinem Amt geschiedene Leiter der UNO-Hilfsprogramme im Irak, Hans von Sponeck, kritisiert die Sanktionen wegen ihres humanitären Desasters. Danach bekommt jeder Iraker im Rahmen des Programmes "Öl für Nahrungsmittel" nur 252 Dollar (268 Euro/3.685 S) pro Jahr. Jedes fünfte Kind sei inzwischen unterernährt; jeder dritte Iraker Analphabet. "Ein Tiger (Saddam) sollte mit den Sanktionen umgebracht werden, aber getötet worden ist ein wunderschöner Vogel (das Volk)", sagt Sponeck. dpa