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Vor zehn Jahren fiel Ungarns Eiserner Vorhang

Von Harriet Ferenczi

Politik

Budapest · Als Drahtscheren am 2. Mai 1989 erstmals in den Eisernen Vorhang zwischen Ungarn und Österreich bissen, wurde das Ende des Kalten Krieges eingeläutet. Denn die Zeit von Minen, | Wachtürmen, Stacheldraht, Scheinwerfern gehörte von nun an für die Ungarn der Vergangenheit an.


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Burgenländische und westungarische Gemeinden, jahrzehntelang getrennt durch politische Welten, rückten einander näher · im Schein des Grünen Lichtes aus der Zentrale der Kommunistischen

Partei in Budapest. Die elektronische Grenzsperre wurde stückweise zu Souvenirs für westliche Politiker.

Das Politbüro der Kommunistischen Partei hatte am 28. Februar 1989 beschlossen, der Regierung den Abbau der Grenzsperre zu empfehlen. Staatsminister und Chefreformer Imre Pozsgay bezeichnete den

Grenzzaun damals als "historisch, politisch und technisch überholt".

Die 350 km lange elektronische Grenzsperre zu Österreich, 1966 errichtet zu einem Preis von 156 Mill. Forint, wurde löchrig. In den 23 Jahren ihres Bestehens soll sie zu 13.500 Anlässen Alarm

ausgelöst haben · 5.000 mal wegen Grenzverletzern, von denen die Grenzsoldaten 1.300 festnahmen. Eine genaue Statistik über Opfer wurde nicht geführt. Offiziell ist von zwei bis drei Todesopfern die

Rede.

Brigadegeneral Dezsö Kovacs, Direktor der Grenzdirektion Györ/Sopron, erinnert sich: "Es war ein erhabenes Gefühl, als wir an den Abbau der Grenzsicherung gingen." Damals schlug der Brigadegeneral

seinen österreichischen Kollegen spaßig vor, den abgebauten Eisernen Vorhang auf österreichischer Seite aufzubauen. Denn es war abzusehen, daß der Grenzabbau Folgen haben würde: In den 90er Jahren

nahm eine Migrationswelle ihren Anfang, die immer größere Ausmaße annahm.

Die ungarische Grenzwache stand plötzlich vor neuen Aufgaben: "Wir waren bemüht, diese im Rahmen der gültigen Gesetze human zu lösen." Kovacs verweist darauf, daß die Migration Ungarn solche

Lasten auferlegt, die selbst für den reichen Westen ein Problem bedeuten. Daran dachte keiner der am 2. Mai 1989 im Rathaus von Hegyeshalom (Nickelsdorf) versammelten Vertreter der politischen

Führung und der Grenzwache. Oberst Balazs Novaky von der Grenzwache drückte seine Hoffnung aus, daß die Demontage des Eisernen Vorhangs zur Entwicklung der internationalen Beziehungen Ungarns

beitragen würde.

Abgesprochen hatte sich Budapest nicht mit den übrigen sozialistischen Staaten, denn "hier ging es um eine rein innenpolitische Angelegenheit". Durch den Abbau der Grenzsperre gelangten rund 4.500

Einwohner von 25 kleinen ungarischen Grenzgemeinden nun außerhalb des Zaunes. Dessen Demontage verschlang 50 Mill. Forint (199.442 Euro/2,74 Mill. Schilling).