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Vorarlberger Modell als Vorbild

Von Martina Madner

Politik
© Fotolia/farbkombinat

Die Regierung rückt vom 1500-Euro-Deckel bei der Mindestsicherung ab. Das Vorarlberger Modell ist bereits als rechtskonform bestätigt.


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Wien. Die "österreichweite Deckelung der Leistungen für eine Bedarfsgemeinschaft auf maximal 1500 Euro" war so im Regierungsprogramm bei den Grundsätzen für die österreichweite Vereinheitlichung der Mindestsicherung notiert. War und nicht ist, weil der 1500-Euro-Deckel vom Verfassungsgerichtshof im niederösterreichischen Mindestsicherungsgesetz als "unsachlich, und deshalb verfassungswidrig" aufgehoben wurde.

"War" aber auch, weil ÖVP-Kanzleramtsminister und Regierungskoordinator Gernot Blümel im Pressefoyer des Ministerrats ankündigte, dass die Regierung wegen der VfGH-Entscheidung nun "eine andere Lösung finden müssen" wird - "rechtskonform" und "auf Basis der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs".

"Aber die Linie der Bundesregierung ist dennoch klar, wir wollen ein bundeseinheitliches Modell vorlegen, damit es zu mehr Gerechtigkeit kommt", sagt er auch - und zwar wie mit der FPÖ besprochen bis Jahresende.

Leben und Wohnen trennen

Ob dieses "gerechte" Modell jenem in Vorarlberg entsprechen wird, sagt Blümel zwar nicht. Der Salzburger Arbeits- und Sozialrechtler Walter J. Pfeil würde allerdings genau dazu raten. Beinahe wäre es auch schon so weit gewesen: "Kurz vor dem Ende der Diskussion der Bundesländer war man bereits fast so weit, Wohnen aus dem Geldbetrag rauszunehmen."

Genau das haben die Vorarlberger bereits umgesetzt: In anderen Bundesländern werden 25 Prozent der Netto-Ausgleichszulage von aktuell 863,04 Euro als Richtwert fürs Wohnen an Alleinstehende ausbezahlt; das sind 215,76 Euro. Die Vorarlberger aber trennen die Geldleistung für den Lebensunterhalt und den Ersatz für Wohnbedarf. Sie bezahlen die realen Wohnkosten, bei Alleinstehenden höchstens aber 503 Euro.

Vorarlbergs Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) erklärt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" den Vorteil dabei: "Wir sind dabei - wie die Tiroler, die das auch so machen - flexibler als andere. Und in der Realität spielt es eine Wohnung um 200 Euro in Vorarlberg auch nicht." Und es ist nicht nur regionale, sondern auch lokale Flexibilität innerhalb eines Bundeslandes möglich: Schließlich kostet eine Wohnung in der Stadt auch mehr als in einem kleinen Ort in einer ländlichen Region.

Erster Kostenvergleich für 2017

Wiesflecker sagt zwar: "Das sollte den Verantwortlichen in anderen Bundesländern auch ein Stück weit die Sorge nehmen, dass die Kosten für die Mindestsicherung teurer werden." Aber die Ausgaben pro Bedarfsgemeinschaft lag in Vorarlberg nach Tirol und Wien an dritthöchster Stelle.

Die Zahlen aller Bundesländer für 2017 liegen zwar noch nicht vor: Aber im vorläufigen Vorarlberger Rechnungsabschluss für 2017 sind 33,3 Millionen Euro Ausgaben für die Mindestsicherung verbucht. Bezogen haben sie 13.600 Personen - das wären grob gesagt: 2453 Euro pro Person. Grob gesagt, weil der Vergleich etwa wegen unterschiedlicher Sätze für Kinder und Erwachsene, vor allem aber wegen der deutlich unterschiedlichen Lebenshaltungskosten hinkt. Niederösterreich kam mit 61,9 Millionen Euro für 28.798 Personen, also 2151 Euro pro Person zwar vergleichsweise günstiger weg. Da aber mit dem VfGH-Urteil Nachzahlungen drohen, allerdings nur vorläufig.

Regelung bei Flüchtlingen

Aber zurück zu Vorarlberg, grundsätzlich gilt: "Konventionsflüchtlinge sind Österreichern gleichzustellen, das ist EU-rechts- und verfassungskonform - und gut so", sagt Wiesflecker. Und: "Die Mindestsicherung hat in erster Linie das Ziel, Armut zu bekämpfen und vorzubeugen, erst in zweiter geht es um die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Das ist essenziell, haben aber viele aus den Augen verloren", ist ihr wichtig zu betonen.

Spezielle Regelungen für Flüchtlinge gibt es aber auch in Vorarlberg: Sie können auch mit positivem Bescheid zwei Jahre im Grundversorgungsquartier bleiben. Das spart dem Land doppelt Geld: Der Richtsatz für Alleinstehende reduziert sich für Wohngemeinschaftsbewohner von 645,32 sonst auf 482,10 Euro Mindestsicherung. Und darüber hinaus gehen 280 Euro als Sachleistung direkt an den Quartiergeber. Das Geld könne nicht für andere Zwecke verwendet werden, zum Beispiel "nicht ins Ausland überwiesen werden", sagt Wiesflecker - als Hinweis an jene, die genau das verhindern wollen. Und: "Wir schauen da schon, dass wir die Kosten begrenzen."

Wohnkosten überweisen die Vorarlberger übrigens auch bei vielen anderen Mindestsicherungsbeziehenden direkt an die Vermieter: "Das beugt Delogierungen vor." Auch den Kostenzuwachs bei Großfamilien haben die Vorarlberger gebremst - für alle, deshalb auch für Flüchtlingsfamilien: Weil es ab dem vierten bzw. siebenten Kind mehr Familienbeihilfe gibt, wird der Richtsatz bei der Mindestsicherung ab dieser Kinderanzahl jeweils reduziert von 187,32 Euro für die ersten drei Kinder auf 128,88 ab dem vierten bzw. 103,12 Euro ab dem siebenten.

Lösung für alle?

Das Vorarlberger Mindestsicherungsmodell ist übrigens ein vom Verfassungsgericht geprüftes: Zwar wurden mit dem VfGH-Erkenntnis vom 12. Dezember 2017 auch hier gesetzeswidrige Kleinigkeiten aufgehoben. Die "maßgeblichen Bestimmungen" aber seien "zweckmäßig."

Sozialrechtler Pfeil glaubt trotzdem nicht an eine konfliktfreie Diskussion zwischen Bund und Ländern: "Es ist eine Illusion, dass es nun keine Auseinandersetzungen mehr geben wird." Den Ländern ruft Pfeil übrigens in Erinnerung, dass der Bund die Krankenversicherung für die Mindestsicherung bezahlt - also bis jetzt einen Anteil leistet. Wiesflecker erinnert den Bund dennoch daran, dass rund die Hälfte der Kostensteigerung auf die Finanzkrise, nur die andere Hälfte auf Flüchtlinge zurückzuführen ist: "Gerechtigkeit heißt also, auch hier beides zu sagen."

Und ob gerecht oder nicht - sowohl der Regierung als auch den Ländern kommt die Konjunktur jedenfalls zu Hilfe: Mit besserer Konjunktur gibt es mehr Arbeit, weniger Mindestsicherungsbezug - und damit geringere Kosten.