Der russischen Führung laufen die Soldaten davon, jetzt sollen Kinder für den Krieg begeistert werden.
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Junge Männer, die sich aus Angst vor der Einberufung ins Ausland absetzen. Soldaten, die zwar im Feld stehen, aber kaum motiviert sind, gegen die zum Feind erklärten Ukrainer zu kämpfen: Die Armeeführung in Moskau hat ein Problem, der Kreml will die Schwierigkeiten jetzt auf lange Sicht an der Wurzel packen. In Moskau laufen Bemühungen auf Hochtouren, schon Kinder für Krieg zu begeistern, berichtet der britische "Guardian". So wurde Propagandaunterricht bereits an den Schulen eingeführt, Online-Dissidenten werden gesperrt. Und in Russland haben Jugendgruppen Hochkonjunktur, die die Jugend für Disziplin, Hingabe an die Nation und den Heldentod für das Vaterland begeistern sollen.
Exerzieren, schießen, Spenden sammeln
Der größte dieser Vereine ist die unter Verteidigungsminister und Putin-Intimus Sergej Schoigu gegründete "Jugendarmee". Als Aushängeschild des staatlichen Vereins dient ein berühmter Sportler, der via soziale Medien versucht, Minderjährige im patriotischen Sinn zu motivieren. In ganz Russland gibt es Gruppen "junger Soldaten", die Uniformen tragen, quasi-militärische Manöver abhalten, mit Waffen schießen und Hilfen für "ethnische Russen" sammeln, die angeblich in der Ukraine gerettet werden müssen.
Der Staat finanziert und leitet diese Programme, laut Putins Propanda sind bereits eine Million Kinder Mitglieder der "Jugendarmee". Im Jahr 2030 sollen 20 Prozent der Jugend im schulpflichtigen Alter von den Programmen erfasst sein.
Putins Jugendtrupps beschränken sich nicht auf Lagerfeuerromantik und Sport, hier geht man mit der Zeit und streicht die Möglichkeit heraus, einen Influencer-ähnlichen Status zu erreichen. Die Website der "Jugendarmee" ist voll mit Zeichentrickfiguren in Uniform und martialischen Videospielen.
"Loyal und patriotisch" auch in den USA
Das Interesse der Zielgruppe soll enorm sein, wie der "Guardian" berichtet, die Kinder melden sich in Scharen freiwillig, heißt es. Ihnen wird beigebracht, "für das Vaterland zu sterben", schon Sechsjährige sind mit dabei. Und es gibt Online-Hommagen an die ehemaligen "Jugendsoldaten", die in der Ukraine "den Heldentod gestorben" sind.
Freilich: Auch in den Vereinigten Staaten versucht man, Minderjährige militärisch zu drillen und zu Patriotismus und zum Dienst in der Armee vorzubereiten. Das Pentagon hat schon seit 1916 ein Programm am Laufen, das sich "Junior Reserve Officers Training Corps" (JROTC) nennt. Rund 500.000 Jugendliche ab dem Alter von 14 Jahren sind hier als "Kadetten" dabei, auch hier trägt man Uniform.
Die grundsätzliche Idee besteht darin, Nachwuchs für die US-Armee heranzubilden. Gleichzeitig geht es darum, gefährdete Jugendliche in den Großstädten von der Straße, den Gangs und dem Gefängnis fernzuhalten. Kriminalität von Jugendbanden ist in den USA ein weit verbreitetes Phänomen, JROTC soll hier im Gegensatz zur verbrecherischen als "gute Bande" korrigierend eingreifen. Untersuchungen belegen, dass sich 40 Prozent der Jungreservisten tatsächlich für eine Karriere in der US-Armee entscheiden. Dann ist es nicht mehr weit zu Einsätzen wie in Afghanistan, wo 2.500 US-Soldaten gestorben sind, oder im Irak, wo knapp 3.100 GIs den Tod fanden.
Ein Schwur der JROTC-Kadetten lautet: "Ich bin loyal und patriotisch." Ein anderer: "Ich lüge nicht, betrüge nicht und stehle nicht", "ich bin die Zukunft der Vereinigten Staaten von Amerika", "ich bin stolz auf meine Uniform", und: "Möge Gott mir Stärke verleihen, diesem Schwur gemäß zu leben."
Das Programm richtet sich an männliche wie weibliche Jugendliche, man kann verschiedene Auszeichnungen erringen, wobei es bei den Mädchen Punkteabzüge etwa für lackierte Fingernägel gibt. Geleitet wird das Programm von pensionierten Armeeoffizieren, es herrschen Zucht, Ordnung und Disziplin. Es wird exerziert, paradiert, auf Fitness geachtet und mit echten Waffen, Projektile sind Bleikugeln mit hoher Durchschlagskraft, auf Schießscheiben geschossen. Das Pentagon hat Partnerschulen, viele davon befinden sich in "Problembezirken" mit hoher Kriminalität in Chicago. Die meisten Teilnehmer sind Angehörige ethnischer Minderheiten, Afroamerikaner oder Latinos. Weiße werden kaum erfasst.
In der Tat gelingt vielen US-Amerikanern aus zerrütteten Familien der soziale Aufstieg durch eine Armeekarriere. Ein Teil bleibt aber auf der Strecke, weil viele Soldaten im Einsatz traumatisiert werden, die Armee verlassen müssen und am sozialen Abstellgleis landen.
Weitere Mobilmachung wohl unumgänglich
Während US-Soldaten derzeit nicht in einem großen Kriegseinsatz sind, scheint die russische Führung mehr und mehr gewillt, in der Ukraine alle verfügbaren Kräfte zu mobilisieren. Zuletzt wurden 300.000 Reservisten zu den Waffen gerufen, damit dürfte aber das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht sein. Da die Verluste unter den zuletzt Einberufenen sehr hoch ist, rechnet das American Institute for the Study of War (ISW) damit, dass bis zum Frühjahr weitere 100.000 Wehrpflichtige zu den Waffen gerufen werden. Medien gehen davon aus, dass Russland seine Armee sogar auf bis zu zwei Millionen Soldaten aufstocken will - damit wäre eine weitere Mobilmachung unumgänglich. Werden Unerfahrene an die Front geschickt, steigen die Verluste erheblich.
Schon jetzt haben zehntausende Russen in der Ukraine ihr Leben gelassen.