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Vorbeugen ist die billigere Lösung

Von Erich Brunmayr

Politik

Nicht nur Geld und Betreuungsangebote sind Familienpolitik | . | Das Gemeinwesen sollte die familiären Defizite ausgleichen. | Gmunden/St.Pölten. Es ist ein Faktum, dass kindliche Familienerfahrungen die eigene Beziehungsfähigkeit entscheidend beeinflussen. Einfühlungsvermögen, Mitgefühl und Mitleid entstehen durch persönliche Erfahrungen, besonders stark aber durch Erzählen und Vorlesen von Geschichten und Märchen. Politische oder moralische Appelle gegen Gewalt beruhigen das pädagogische Funktionärsgewissen. Strategisch wirksam ist die Grundlegung von Beziehungsfähigkeit und Einfühlungsvermögen in der Kindheit. Wenn wir mit Betreuungslehrern, Schulpsychologen, Mitarbeitern der Jugendwohlfahrt etc. reden, berichten diese einhellig von markanten Zunahmen elterlicher Erziehungsverweigerung.


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Es fragt sich, ob wir wirklich gut beraten sind, dieser Entwicklung ausschließlich mit der Behandlung der Folgeprobleme durch Betreuungslehrer, Schulpsychologen und Instanzen der Jugendwohlfahrt, der Sozialarbeit bzw. der Jugendpsychiatrie zu begegnen und das kollektive Gewissen mit frommen Sprüchen über die Wichtigkeit der Familie und über die moralische Verwerflichkeit von Gewaltanwendungen zu besänftigen.

Familienpolitik wird sich nicht auf monetäre Zuwendungen und das Betreuungsangebot für Kinder reduzieren lassen. Wir werden ergänzende soziale Netze, wahrscheinlich in den Bürgergesellschaften der Gemeinde und in den Schulen, einziehen müssen, um Kindern, die in desolaten Familienverhältnissen aufwachsen, zumindest ansatzweise künftige Lebenschancen zu bieten.

Neue Chancen durch Nachmittagsbetreuung

Hat unser Bildungssystem wirklich nur Wissen entsprechend den jeweiligen Curricula zu vermitteln und reduziert sich die Verantwortung des Lehrpersonals nur auf diese Wissensvermittlung? Unter diesem Aspekt hätten wir in einem neuen Angebot an Nachmittagsbetreuung in den Schulen markante Chancen.

Es sind aber auch die Gemeinden und die zu Recht hochgepriesene Bürgergesellschaft gefordert, sich mit der Frage zu befassen, wo Jugendliche eine Gemeinschaft und in ihr Geborgenheit finden und wie sie in das Gemeinwesen ihrer Gemeinde, des Staates und der Demokratie hineinwachsen. Ein funktionierendes kommunales Gemeinwesen kann familiäre Defizite bei Kindern und Jugendlichen ausgleichen.

Wenn wir nicht vorbeugend in die Gemeinschaften und in deren Qualität investieren, in denen unsere Kinder aufwachsen, so werden wir später viel mehr Geld in fragwürdige Resozialisierungsmaßnahmen investieren müssen.

Dr. Erich Brunmayr ist Sozialforscher und leitet das Institut für strategische Zukunftsforschung an der Niederösterreichischen Landesakademie.

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