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Vorbild ohne Nachahmer

Von Matthias Nagl

Politik
Auf dem "Eigen", dem Grund, des Stiftes Schlägl (im Vordergrund) ist Aigen (links im Hintergrund) erbaut.Matthias Nagl

Aigen und Schlägl haben in Oberösterreich eine reibungslose Gemeindefusion hingelegt.


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Aigen-Schlägl. Es brauchte nicht viel Fantasie für diese Gemeindefusion. Aigen und Schlägl, jene beiden Orte im oberen Mühlviertel, die seit Anfang Mai eine gemeinsame Gemeinde bilden, sind schon seit Anbeginn ihrer Geschichte eng miteinander verwoben. Der Name von Aigen geht auf das Stift Schlägl zurück. Auf dem "Eigen", also dem Grund, des Klosters wurde im 13. Jahrhundert eine Siedlung errichtet.

Aigens Marktplatz liegt einen guten Kilometer vom Stift Schlägl entfernt, Ortsunkundige wissen nicht, wo sie noch in Aigen und wo sie schon in Schlägl sind, die Grenze ist fließend und auch in der Mehrheit der Köpfe nicht mehr präsent. "Ich war total dafür. Es war ja klar, dass das irgendwann kommen wird", sagt Herr Günther, Kellner im Schlägler Stiftskeller. Arnold Dumps, Unternehmer in Aigen, sagt: "Ich habe auch vor der Fusion schon Aigen-Schlägl gesagt."

Es scheint, als wäre mit der Fusion nur eine Selbstverständlichkeit umgesetzt worden. Doch Gemeindefusionen sind in Österreich eine absolute Seltenheit. Ausnahme ist die Steiermark, wo die Strukturreform der Landesregierung die Zahl der Gemeinden von 542 auf 286 sinken ließ und damit das Ergebnis der Landtagswahlen im Frühjahr mitprägte.

"Gemeinden sollen nicht zwangsfusioniert werden"

In Oberösterreich wird das bei den Landtagswahlen am 27. September nicht passieren. Denn in der abgelaufenen Regierungsperiode gab es gerade einmal zwei Gemeindefusionen. Neben der von Aigen und Schlägl jene von Rohrbach und Berg, ebenfalls im oberen Mühlviertel. Damit hat Oberösterreich nun 442 Gemeinden, nach Niederösterreich die meisten aller Bundesländer. Dazu hat das Land im Durchschnitt nach dem Burgenland und Niederösterreich die drittwenigsten Einwohner pro Gemeinde.

Daran wird sich auch in den kommenden sechs Jahren nur wenig ändern. Die einzige Partei, die sich das Thema Fusion ansprechen traut, ist die stärkste Partei, die ÖVP. Sie tut das aber äußerst defensiv: "Gemeinden sollen nicht zwangsfusioniert werden. Gemeindekooperationen oder Gemeindezusammenlegungen sollen auf freiwilliger Basis passieren", heißt es im Wahlprogramm. Selbst die Neos schreiben in ihrem Wahlprogramm lediglich von Verwaltungsgemeinschaften und Gemeindekooperationen. Die anderen Landtagsparteien sind teils noch defensiver als die ÖVP. Die Angst, dem Negativbeispiel Steiermark zu folgen, ist offenbar groß.

Der Landesrechnungshof steht mit seiner Forderung nach Gemeindefusionen also ziemlich alleine da, allerdings nicht ganz. Herbert Kern, mittlerweile Altbürgermeister von Aigen, sagt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung": "Ich würde mir wünschen, dass das Land ein bisschen mehr mit Zuckerbrot und Peitsche vorgeht. Verwaltungsgemeinschaften sind schön und gut, aber mit 350 bis 500 Einwohnern den ganzen Apparat aufrechtzuerhalten, ist nicht die Zukunft." Kern hat schon eine erfolgreiche Fusion hinter sich. Aigen-Schlägl hat nun 3112 Einwohner. In Aigen stimmten 91 Prozent für die Fusion, in Schlägl 84 Prozent. Grundlage für dieses Ergebnis war behutsame Vorbereitungsarbeit. "Wir haben elf Dorfabende gemacht und sind Rede und Antwort gestanden. Wir haben die Bevölkerung nicht im Ungewissen gelassen, was passieren wird", sagt Elisabeth Höfler. Sie war Bürgermeisterin von Schlägl und wird nach der Bürgermeister- und Gemeinderatswahl am 27. September als ÖVP-Kandidatin aller Voraussicht nach auch erste Bürgermeisterin von Aigen-Schlägl. "Es macht Sinn, wenn der kleinere Partner die erste Bürgermeisterin stellt", erklärt Kern, warum er in die zweite Reihe rückt. Von außen auferlegte Gemeindefusionen wie in der Steiermark funktionieren kaum, sind sich die beiden beteiligten Ortschefs einig.

Kern rechnet trotz Zustimmung der Bevölkerung zur Fusion und bisher zwei Bürgermeistern der ÖVP mit Verlusten für seine Partei. "In Schlägl gibt es eine freiheitliche Gemeindegruppe, in Aigen gab es das bisher nicht. Und da wir nun eine größere Gemeinde sind, treten auch die Grünen an. Schon allein deshalb wird die Fusion einen Einfluss auf das Wahlergebnis haben", erklärt Kern. Größere Vielfalt geht automatisch zulasten der bisherigen Platzhirschen.

Solche Überlegungen sind den Wählern naturgemäß egal, in der Bevölkerung gibt es Stimmen für weitere Fusionen. "Die meisten haben gesehen, dass es besser ist", sagt Arnold Dumps. Er würde sich weitere Fusionen von anderen Gemeinden wünschen, mit einer Einschränkung: "Dort, wo es sich örtlich anbietet. Wenn die Gemeinden fünf, sechs Kilometer auseinanderliegen, ist es nicht sinnvoll", sagt Dumps. Auf ihn als Unternehmer hatte die Gemeindefusion überhaupt keine Auswirkungen.

Kommunen zu vereinigen bringt Einsparungen

Für Herrn Günther sind weitere Fusionen nur eine Frage der Zeit. "In ein, zwei Generationen sieht es sicher anders aus. Die Jungen denken bei diesem Thema ganz anders", sagt er. Das bestätigt auch Höfler: "Die Jungen in der Gemeinde haben das eher lockerer gesehen. Die ältere Generation ist stärker verankert." Dazu haben einige Ältere noch die Zeit erlebt, als Aigen-Schlägl zuletzt eine Gemeinde war. Während des Zweiten Weltkriegs war das der Fall, nach Kriegsende wurden die beiden Orte wieder getrennt. "Das ist damals, wie so vieles, nicht sonderlich gut angenommen worden", erklärt Kern.

Warum sich die Verantwortlichen erneut für die Fusion entschieden haben? "Die Zeit war reif dafür. Es hat da wie dort vor kurzem einen Bürgermeisterwechsel gegeben. Die Voraussetzungen waren gut", sagt Kern. Höfler liefert noch ein Argument: "Alles, was man freiwillig macht, kann man sich so richten, wie man es für richtig hält."

Größter Profiteur der Fusion von Aigen und Schlägl dürfte das Land Oberösterreich sein. Es werden jährliche Einsparungen von etwa 100.000 Euro erwartet. "Schlägl war eine Abgangsgemeinde, allein da spart sich das Land 60.000 bis 70.000 Euro", sagt Kern. Damit helfen die beiden Kommunalpolitiker der ÖVP bei einem Wahlversprechen. Denn wenige Zeilen über der Ablehnung von Gemeindefusionen steht im ÖVP-Wahlprogramm: "Ziel ist, die Zahl der Abgangsgemeinden um 60 Prozent zu senken." Den Weg über Gemeindefusionen will die Landespolitik dafür aber lieber nicht gehen.