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Vorerst schwarzer Rauch in Rom

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Stefano Rodotà, M5S-Kandidat, kam bei erster Abstimmung auf 240 Stimmen.


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Rom. Obwohl die Mitte-Links-Koalition Pier Luigi Bersanis gemeinsam mit dem Mitte-Rechts-Lager Silvio Berlusconis und den Zentrumsparteien um Mario Monti in der Wahlversammlung über 836 Anhänger verfügen, erhielt ihr gemeinsamer Kompromisskandidat Franco Marini am Donnerstag im ersten Wahlgang der italienischen Präsidentenwahlen nur 521 Stimmen. Auch bei der zweiten Abstimmung erreichte keiner der Kandidaten die Zweidrittel-Mehrheit von 672 Stimmen, die in den ersten drei Wahlgängen notwendig ist: Es gab 418 Stimmenthaltungen.

Stefano Rodotà, der Kandidat der 5-Sterne-Bewegung (M5S) von Beppe Grillo, kam im ersten Wahlgang auf 240 Stimmen, 78 mehr, als die M5S im Wahlmännerkollegium haben.

Unmittelbar nach der Einigung auf Marini als Kompromisskandidat hatten die mit Bersani verbündete linksökologische SEL angekündigt, dass sie für Rodotà stimmen würde, und auch Bersanis parteiinterner Rivale Matteo Renzi, der Marini schon vor Tagen eine Absage erteilt hatte, erklärte, dass seine Anhänger nicht den Parteikandidaten unterstützen würden.
Heckenschützen dürfte es aber auch aus den Lagern von Berlusconi und Monti gegeben haben. 104 der 1007 Wahlmänner gaben weiße Stimmzettel ab.

Etwa 100 Stimmen entfielen auf diverse Kandidaten des Linkslagers, davon 41 auf den frühere Turiner Bürgermeister Sergio Chiamparino. Diese Voten werden den Renzi-Anhängern zugerechnet. 14 Stimmen bekam Romano Prodi, 13 entfielen auf Emma Bonino, 12 auf Massimo D’Alema, 7 auf Anna Finocchiaro, 10 auf den scheidenden Präsidenten Giorgio Napolitano und je eine auch auf Bersani und den amtierenden Senatspräsidenten Pietro Grasso. Von den vereinzelten Stimmen für andere Kandidaten bekam sogar Silvio Berlusconis Ex-Frau Veronica Lario eine.

Unmut an der Basis über die Kompromisslösung
Für heute, Freitag, gaben die Demokratische Partei (PD) und Berlusconis PdL die Parole aus, sich im dritten Wahlgang der Stimme zu enthalten.
In der Basis der PD machte sich am Donnerstag aber verstärkt Unmut über die Kompromisslösung breit. Vor dem Abgeordnetenhaus demonstrierten Anhänger der Partei, die sich offen für die Unterstützung Rodotàs aussprachen. Parolen wie "Rodotà ohne Wenn und Aber", "Rodotà ist der Wandel, Marini der Untergang" war auf den Schildern der Protestierenden zu lesen.

Viele PD-Anhänger zeigten sich auch empört über Bersanis, der PdL-Parteichef Angelino Alfano nach der Abstimmung die Hand auf die Schulter legte. Selbst altgediente Parteigenossen wie der Präsident der Region Ligurien, Claudio Burlando ließen über Twitter ihren Unmut los: "Zum ersten Mal in 40 Jahren gehorche ich nicht. Ich will nicht Komplize beim politischen Selbstmord sein." "Haltet ein", twitterte Stefano Bonacchini, der PD-Chef aus Bersanis Heimatregion Emilia Romagna.

Der Druck auf Bersani steigt, für den vierten Wahlgang einen neuen Kandidaten in Betracht zu ziehen. Und in diesem Zusammenhang gewinnt auch der Name des früheren Regierungschefs Romano Prodi wieder an Zugkraft. Die SEL-Mandatare und auch die Anhänger Renzis haben ohnehin schon vor der Entscheidung für Marini eine Kandidatur des früheren EU-Kommissionspräsidenten unterstützt. Der Einzige, der Prodi auf keinen Fall als Nachfolger Napolitanos sehen will, ist Silvio Berlusconi.
Beppe Grillo, dessen Mandatare in den nächsten beiden Wahlgängen ihren Kandidaten Rodotà unterstützen werden, hat am Donnerstagnachmittag auch schon offen darauf angespielt, dass seine Partei nach einem Rückzug Rodotàs Prodi unterstützen könnten. Damit wären die Karten für die Wahl des italienischen Präsidenten wieder völlig neu gemischt.