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Vorhang zu für Ernst Strasser

Von Katharina Schmidt

Politik

OGH-Entscheid: Drei Jahre Haft für Ex-Innenminister in der Lobbying-Affäre.


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Wien. Beinahe sah es so aus, als hätte er es verstanden. "Ich muss eingestehen, dass ich im Umgang mit der Materie Fehler, schwere Fehler gemacht habe, die ich auch sehr bedaure. Ich habe die Rechnung dafür saftig bezahlt bekommen", sagte Ernst Strasser. Doch es war wohl doch nur das Unverständnis darüber, dass sich nun ausgerechnet er vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) verantworten musste. Denn im nächsten Atemzug hieß es: "Das, was mir die Anklagebehörde vorwirft, das ist nicht die Wahrheit, das muss ich in aller Klarheit sagen. Niemand anderer wie ich kann das in der Klarheit sagen, weil ich ja selber dabei war", sagte er wörtlich.

Genützt haben ihm diese Beteuerungen nichts. Der OGH hat das Urteil des Erstgerichts gegen Strasser wegen Bestechlichkeit in der Sache bestätigt und das Strafausmaß von dreieinhalb Jahren auf drei Jahre herabgesetzt. Der ehemalige Innenminister wird sich also für mindestens sechs Monate hinter Gitter begeben müssen. Doch dazu später.

Der Auftritt Strassers vor dem Senat von OGH-Präsident Eckart Ratz war der Schlusspunkt einer wilden Lobbying-Geschichte, die Einblick in eine schmutzige Parallelwelt gegeben hat. Der heute 58-Jährige war schon aus seiner Zeit als Ressortchef im Innenministerium (2000 bis 2004) nicht unbeschadet hervorgegangen - schließlich haftete dem ÖVP-Politiker aus dem Stall Erwin Prölls schon damals das Image des Umfärbers an. Einige Jahre später wurde dieser Eindruck im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Innenministerium bestätigt, als Mails von Mitgliedern des Kabinetts Strasser auftauchten, in denen ganz offen über die falsche oder richtige "Farbe" von Mitarbeitern debattiert wurde.

Aufstieg und Falllagen nah beieinander

Umso erstaunlicher war es für viele, als Josef Pröll 2009 Strasser aus der Privatwirtschaft zurückholte und dem bisherigen ÖVP-Delegationsleiter im Europaparlament, Othmar Karas, als Spitzenkandidat für die EU-Wahl vor die Nase setzte. Das Verhältnis zwischen Pröll junior und Karas war nicht das beste - wie schlecht, wurde deutlich, als Letzterer haushoch den Vorzugsstimmenwahlkampf gewann und dennoch Strasser den Delegationsleiter-Posten überlassen musste.

Doch nach nicht einmal zwei Jahren in Brüssel fand die Karriere Strassers ein jähes Ende. Nachdem im Frühjahr 2011 bekannt geworden war, dass Strasser zwei Enthüllungsjournalisten der britischen "Sunday Times" auf den Leim gegangen war, musste der EU-Mandatar seinen Rücktritt erklären. Die Journalisten hatten sich gezielt EU-Mandatare mit zweifelhaftem Ruf herausgesucht und diesen Geld (in Strassers Fall 100.000 Euro) geboten, wenn sie Richtlinien in ihrem Sinne beeinflussten. "Yes, of course I’m a lobbyist", hört man Strasser in den berühmt gewordenen Videoaufnahmen sagen.

Das sei ein Trick gewesen, argumentierte Strasser später, als er sich Ende 2012 vor dem Wiener Straflandesgericht wegen Bestechlichkeit verantworten musste. Er habe den US-amerikanischen Geheimdienst hinter dem Angebot vermutet und sei nur zum Schein darauf eingegangen. Der Richter schenkte Strasser keinen Glauben. Er verurteilte ihn Anfang 2013 zu vier Jahren Haft wegen Bestechlichkeit. Doch der OGH hob das Urteil wegen eines Formfehlers auf. Die Tatfrage sei zwar mängelfrei geklärt worden, es sei aus der Urteilsbegründung aber nicht ersichtlich gewesen, ob Strasser das Geld für die Einflussnahme auf ein bestimmtes Gesetz oder für eine unbestimmte Einflussnahme gefordert habe - Letzteres war zum Tatzeitpunkt nämlich noch nicht strafbar.

Also zurück zum Start. Im zweiten Rechtsgang heuer im Frühjahr tischte Strasser dann wenigstens nicht mehr die Geheimdienst-Geschichte auf. Er blieb aber dabei, keinen Einfluss auf die Gesetzgebung genommen zu haben. Der Schöffensenat verurteilte ihn erneut - diesmal zu dreieinhalb Jahren, auch schloss das Gericht eine Fußfessel aus.

Auch diesmal meldete Strasser Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, die sein Anwalt Thomas Kralik am Montag vor dem OGH wortreich begründete. Unter anderem meinte er, das Erstgericht habe die entlastenden Beweisgründe nicht gewürdigt.

"Strasser hätte das ohne Anstiftung nie gemacht"

"Die Journalisten haben wie Agents provocateurs gehandelt. Sie haben jemanden zu einer Tat angestiftet, die er nicht begangenen hätte, wenn ihm nicht die Journalisten die Karotte vor die Nase gehalten hätten", so Kralik.

Diese Argumentation konnte der OGH nicht nachvollziehen. Er verwarf die Nichtigkeitsbeschwerde und gab der Berufung teilweise statt, indem er die Strafhöhe auf drei Jahre herabsetzte, aber eine Fußfessel nicht dezidiert ausschloss. Berücksichtigt wurde unter anderem die niedrigere Höchststrafe für das Delikt in Großbritannien und die Unbescholtenheit Strassers. "Ein korrupter Europaabgeordneter ist ein Übel, das das gesamte Funktionieren der Union und der Demokratie infrage stellt", sagte Ratz.

Drei Jahre Haft - das bedeutet auch, dass die Strafe nicht teilbedingt nachgesehen werden kann. Der OGH wird nun innerhalb der nächsten Wochen das Urteil ausfertigen, dann dauert es nicht mehr lange, bis Strasser einrücken muss. Frühestens nach einem halben Jahr kann der Ex-Innenminister - er ist der erste ehemalige Minister nach Franz Olah 1969, der ins Gefängnis muss - den Antrag auf eine Fußfessel beim Anstaltsleiter stellen. Der elektronisch überwachte Hausarrest ist nur möglich, wenn die zu erwartende Reststrafe maximal ein Jahr beträgt. Voraussetzung dafür ist also, dass Strassers Strafe nach sechs Monaten wegen guter Führung halbiert wird.

Wie schon zuvor hat Strasser auch diesmal das Urteil mit stoischer Ruhe ertragen. Dann verschwand er wortlos aus dem Justizpalast.