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Vornehme Zurückhaltung gefragt

Von Gerhard Hain

Wirtschaft
© © www.altrofoto.de / Uwe Moosburger

Im Geschäftsalltag der Engländer spielt Understatement eine große Rolle - Kritik wird meist nur sehr verhalten geübt.


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Geographisch und historisch ist England ein Teil Europas, aber durch seine insulare Lage haben sich viele alte Traditionen erhalten, die immer noch seine Gesellschaft, deren Werte, Normen und Verhaltensregeln bestimmen.

Einer der wichtigsten Werte der englischen Gesellschaft ist die mit Gemeinsinn und Zurückhaltung gepaarte individuelle Freiheit. Man sollte sich immer bemühen, nach "gesundem Menschenverstand" (common sense) zu handeln, pragmatisch und situationsgerecht, und sich nicht in die Belange anderer einmischen, solange sie nicht wirklich stören. Politische Überzeugungen, Meinungen zu aktuellen Themen und persönliche Vorlieben hingegen sind, anders als in Österreich, Teil der unbedingt zu respektierenden Privatsphäre. Persönliche Gefühle sollte man eher für sich behalten und intensive Emotionen unbedingt vermeiden. Sich selbst sollte man niemals in den Vordergrund drängen und eigene Leistungen und Erfolge eher herunterspielen ("understatement").

Von Individualismus geprägte Kultur

Diese Verhaltensweisen sind nicht nur traditionell bedingt, sie gewährleisten in der grundsätzlich durch Individualismus geprägten englischen Kultur eine möglichst geringe Reibung und damit einen optimalen Zusammenhalt der ganzen Gesellschaft. Diesem Zusammenhalt dient auch die Pflege vieler alter Traditionen, wie die Verbundenheit mit dem Königshaus, politische Zeremonien, Feiern historisch bedeutsamer Ereignisse oder nationale Sportveranstaltungen (Tennis, Polo).

Der Gemeinsinn äußert sich im privaten Bereich durch ein sehr oft großzügiges soziales Engagement, im Geschäftsleben durch Fairplay, gegenseitigen Respekt und Teamarbeit. Kritik und Ablehnung werden daher meist sehr verhalten und eher indirekt geäußert, und Vorschläge, Bitten oder Anweisungen oft nur in Umschreibungen zum Ausdruck gebracht. Die häufige Verwendung des Konditional ist in England nicht Ausdruck einer Unsicherheit oder Unentschlossenheit, sondern soll vermeiden, seinen Gesprächspartner zu verletzen.

Hierzu ein kleines Beispiel, dass dieses Verhalten Ausländer manchmal in Schwierigkeiten bringen kann. Herr Jung hat bereits vor einem halben Jahr in England eine sehr verantwortungsvolle Position übernommen und wusste, dass ihm immer wieder Fehler unterliefen, doch zu seiner Überraschung bekam er keine Kritik zu hören, sondern immer nur Zustimmung und Lob. Konstruktive Kritik von Seiten der Kollegen wäre ihm außerordentlich hilfreich gewesen, aber selbst wenn er gezielt nachfragte, ob das denn jetzt wirklich in Ordnung sei, wie er das gemacht habe, war die Reaktion immer: "Toll, super, das ist schon gut, prima." Irgendwie kam es ihm vor, als würde man ihn nicht ernst nehmen.

Dabei wurde Herr Jung durchaus ernst genommen, es war nur seinen Kollegen und Mitarbeitern nicht möglich, ihre Kritik oder Ablehnung im Geschäftsalltag direkt zu äußern. Er hätte vielmehr auf nonverbale Signale achten oder seine Fragen in einer informellen Situation vorbringen sollen.

Größere Sensibilität für Körperdistanz

Nun noch einige praktische Ratschläge: Engländer haben eine größere Sensibilität für Körperdistanz als Österreicher, also vermeiden Sie körperlichen Kontakt und reichen Sie die Hand nur bei der Vorstellung oder wenn Sie jemanden lange nicht gesehen haben. Auch längerer und intensiver Blickkontakt wird als Verletzung der Privatsphäre empfunden und sollte daher unbedingt vermieden werden, privat und beruflich werden sehr häufig die Vornamen verwendet, was aber keineswegs der näheren Beziehung des "Du" im deutschen Sprachraum entspricht.

Small talk ist in England eine wichtige Kommunikationsform, vor allem bei der Kontaktanbahnung, also informieren Sie sich über aktuelle Ereignisse, damit Sie genug Themen zur Verfügung haben. Und beachten Sie, dass bei geschäftlichen und offiziellen Anlässen noch immer eine formelle Kleidung erwartet wird, also bei Herren ein dunkler Anzug mit streifenloser Krawatte, bei Damen Hosenanzug oder Kostüm.

Gerhard Hain ist Managing Partner der Unternehmensberatung
ti communication Dr. Fischhof GmbH in Wien.
www.ticommunication.eu
E-Mail: wien@ticommunication.eu