Die Debatte um eine Migrationspolitik für die EU beschränkt sich auf Ideen zur Eindämmung von Zuwanderung.
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"Österreich ist kein Einwanderungsland." Der Satz ist so gut wie nicht mehr zu hören, doch ist es noch nicht allzu lange her, dass er so manchem Politiker flüssig über die Lippen kam. Trotz zigtausender Gastarbeiter, die in den 60er Jahren ins Land geholt wurden. Trotz ihrer Kinder und Enkel, die hier geboren wurden. Trotz der Menschen, die später gekommen und als Wirtschaftsflüchtlinge angefeindet worden sind. Und trotz der Öffnung der Grenzen zu den benachbarten Staaten, die ebenfalls ihre Auswirkungen auf beide Seiten hatte.
Mittlerweile wird die Realität, dass Menschen ihre Heimat verlassen und in ein anderes Land ziehen, nicht mehr geleugnet. Problematisiert wird sie allerdings weiterhin. Daher steht im Mittelpunkt der Debatte selten die Frage, wie Migration gesteuert, sondern vielmehr wie sie verhindert werden kann.
Das ist nicht nur in Österreich der Fall. In etlichen westeuropäischen Ländern wird Zuwanderung - auch - als Bedrohung für den Wohlfahrtsstaat gesehen. Diese Sorgen, ob haltlos oder nicht, sind für einen Teil der Bevölkerung ebenso real. Wie Politiker dem begegnen, hängt dann von der Situation im jeweiligen Land ab. Denn dort wollen sie ja Wählerstimmen gewinnen.
Eine gemeinsame Migrationspolitik ist in der Europäischen Union daher nicht in Sicht. Grundzüge einer einheitlichen Asylpolitik, Kooperation bei der Absicherung der Grenzen, Zusammenarbeit der Polizei und Justizbehörden - das hingegen ist vorstellbar. So debattierten die Innen- und Justizminister der EU bei ihrem jüngsten Treffen in Brüssel, wie Informationen über Bürger ausgetauscht werden könnten, die sich im Ausland Terrorgruppen anschließen möchten. Ein weiterer Punkt auf der Tagesordnung betraf Maßnahmen zur Eindämmung von Flüchtlingsfahrten über das Mittelmeer, bei denen schon tausende Menschen umgekommen sind. Dabei stieß der deutsche Vorschlag, in Nordafrika Auffanglager einzurichten, auf österreichische Sympathie. Ein Bericht über den Schutz des Schengen-Raums, in dem Reisen ohne Passkontrollen möglich ist, stand ebenfalls auf der Agenda.
Doch abseits von Flüchtlings- und Sicherheitsaspekten findet eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Einwanderung nicht statt. Darin müsste es nicht nur um Zuzug von außerhalb der EU gehen. Denn laut einer aktuellen Studie der OECD (Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit) ist die Binnenmigration innerhalb der Union mittlerweile gleich stark wie Zuwanderung aus Drittstaaten. Nach Österreich beispielsweise kamen im Vorjahr vier von fünf Menschen aus anderen EU-Mitgliedsländern. Die meisten Migranten zieht in Europa Deutschland an, das sich in der Liste gleich hinter den USA befindet.
Die Brüsseler Denkfabrik Bruegel stellt dem jene Länder entgegen, in denen die Bevölkerungszahl - nicht zuletzt durch Auswanderung - sinkt. Dazu gehören Irland, die baltischen Staaten, aber ebenfalls Spanien, Portugal und Griechenland. All dies würde eine Diskussion um fehlende Perspektiven und Ungleichheiten, Herausforderungen für die Sozialsysteme und Arbeitsmärkte rechtfertigen. Stattdessen häufen sich Forderungen nach einer rigiden Beschränkung der Migration. Richtiger werden sie dadurch nicht.