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Vorschrift als Hindernis

Von Wolfgang Tucek, Brüssel

Europaarchiv

Am Wochenende kommt Industriekommissar Günter Verheugen nach Wien, um die EU beim österreichischen Wirtschaftsgipfel zu vertreten. Er hat sich für die wirtschaftliche Zukunft Europas dem Abbau ineffizienter bürokratischer Strukturen verschrieben. Einen wesentlichen Beitrag dazu müssten die Mitgliedsländer leisten, so Verheugen.


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Auf seinem Feldzug gegen die Bürokratie in Europa macht Verheugen am Sonntag beim "Reformdialog für Wachstum und Arbeit" in Österreich halt. Diese höchstrangig besetzte Veranstaltung soll Schwerpunkte für die wirtschaftliche Zukunft des Landes definieren. Das dürfte ganz im Sinne des Kommissars sein, der in der einfacheren und besseren Gesetzgebung und dem dadurch erzielten Bürokratieabbau einen wesentlichen Faktor für die Erreichung der Wirtschaftsziele Europas sieht. Dabei wurde beim Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs der Fokus auf Wachstum und die Schaffung von sechs Millionen neuer Arbeitsplätzen in Europa gesetzt.

Bürokratische Auswüchse

In Brüssel will Verheugen dem Vorurteil des "Bürokratiemonsters" ebenso ein Ende setzen wie der Belastung von Klein- und Mittelbetrieben durch ineffiziente EU-Gesetzgebung. Nachforschungen hätten etwa ergeben, dass zum Ausfüllen eines Formblatts zur Erlangung von EU-Förderungen ein 200-seitiges Handbuch nötig sei. Um solche Auswüchse zu vermeiden werde künftig jede Gesetzesvorlage einer umfassenden Folgeabschätzung unterzogen, bevor sie den Weg durch die EU-Institutionen antrete, hatte er verkündet. Zusätzlich soll der gesamte bisherige Bestand an Vorschriften "Sektor für Sektor" überprüft werden. Eine entsprechende Leitlinie will die Kommission in den nächsten Wochen vorlegen.

Der Ball sei nun bei den Mitgliedsstaaten, erklärte der Kommissar gestern. Diese müssten im Rahmen der so genannten nationalen Aktionspläne das ihre beitragen. 80 Prozent der Bürokratiebelastung für die Wirtschaft liege nämlich nicht in Brüssel, habe eine britische Studie ergeben. Diese "Verwaltungshindernisse erwachsen aus nationalen Gesetzen oder der Art und Weise der Umsetzung von EU-Normen", erklärte Verheugens Sprecher. Unter der Ratspräsidentschaft Großbritanniens im zweiten Halbjahr 2005 werde die Vereinfachung der Gesetzgebung wesentlich vorangetrieben, ist Verheugen sicher. Dort gibt es etwa bereits seit mehr als 20 Jahren eine eigene Stabsstelle im Büro des Premierministers, die die Effektivität der Gesetzgebung überwacht.

Entscheidend sei die Einbindung der betroffenen Gruppen in die Beurteilung der Gesetzgebung, meinte Verheugen. So nehmen am Sonntag in Wien nicht nur Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und die vier Minister für Arbeit, Soziales, Bildung und Finanzen sondern auch hochrangige Vertreter der Sozialpartner, Wirtschaftsforscher und Unternehmer am Reformdialog teil.