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Für die Opfer der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko gab es keine Spendenaufrufe. Für die Schäden muss schließlich der finanziell höchst potente Weltkonzern BP aufkommen. Aber hätte es sie gegeben, die monumentale Katastrophenberichterstattung in den Medien rund um den Globus hätte locker die Geldbörsen der Spender geöffnet.
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Dabei stellt sich mit zunehmender zeitlicher Distanz die Frage nach den Dimensionen dieses Unglücks für Mensch und Natur in einem neuen Licht dar. Noch ist es zweifellos zu früh für ein abschließendes Urteil über die Folgen des Öllecks; aber es mehren sich die Indizien, dass die Horrormeldungen der vergangenen Wochen und Monate übertrieben gewesen sein könnten.
Für diese - vorerst noch: mögliche - Fehleinschätzung gibt es sachliche Gründe. Das Unglück ereignete sich im unmittelbaren Einzugsbereich der weltweit mächtigsten News-Maschinerie, den USA. Unzählige Kamerateams und Reporter steigen sich auf ihrer rastlosen Hatz nach Stories gegenseitig auf die Füße, Meinungsmacher geben der Sache unmittelbar nach Ausbruch ihren Drall. Und dazu kommt, dass Öl-Katastrophen offensichtlich in die Liga der archetypischen Unglücksfälle unserer Zeit aufgestiegen sind. Ein Bild mit einem ölverschmierten Vogel muss irgend eine besonders tiefreichende emotionale Reaktion in uns auslösen .. . Es lässt sich ja auch praktischerweise gut mit radikaler Kapitalismuskritik verbinden, von wegen "Raffgier" und "Mega-Konzerne".
Dahinter steckt aber auch eine fatale innere Medien-Logik: So wie Bürokratien aus sich selbst heraus wachsen, müssen Medien ihre Inhalte ungeachtet deren tatsächlichen Gewichts aufblasen. Und dabei gilt: Je unseriöser das Medium, desto größer die Übertreibung, wobei jedoch grundsätzlich keiner davor gefeit ist. Die Versuchung zum Superlativ steckt in jedem Journalisten. Und gegen den Strom zu schwimmen ist niemals leicht.
Für die Millionen Flutopfer in Pakistan, so klagen jedenfalls die professionellen Spendensammler, fällt der Griff zum Geldbörsel in unseren Breiten sehr viel schwerer. Diese Menschen sind tatsächlich um ihr gesamtes Hab und Gut gekommen. Aber auch die Mechanismen von Mitleid sind schwer zu entschlüsseln.