Kirkuk - Ali ist einer der wenigen Ladenbesitzer in Kirkuk, der sein Geschäft geöffnet hat. Der Basar in dieser Ölstadt im Nordirak ist gespenstisch leer. Ali erhofft sich in seinem Kebab-Imbiss ein paar Dollars von hungrigen ausländischen Reportern, um erst fürs Erste finanziell über die Runden zu kommen.
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Vor seinem bescheidenen Imbiss patrouillieren GIs gemeinsam mit kurdischen Peshmerga-Kämpfern, um weiteren Plünderungen vorzubeugen. Das Händewaschen nach dem Essen ist ein Luxus und führt auch zu Gewissensbissen, denn Wasser ist rationiert und ist vor allem da, um den Durst zu löschen. Strom gibt es nur zu bestimmten Stunden.
Ob diese Stadt mit seinen reichen Erdölfeldern in der Umgebung künftig aufblüht, dürfte für die Einwohner aber zunächst eine völlig untergeordnete Rolle zu spielen. Wasser, Strom, ein Ende der Plünderungen und Frieden sind die Dinge, die sie ersehnen.
Frieden bedeutet für sie vor allem auch brüderliches Zusammenleben in einer Stadt, in der ethnische Auseinandersetzungen zwischen Arabern, Kurden, Turkmenen und Assyrern in den letzten zwei Jahrzehnten Tausende Menschenleben gefordert haben.
Die ersten vorsichtigen Schritte für einen Neuanfang sind schon getan. Die Stadt hat ein Exekutivkomitee gebildet, in dem die vier ethnischen Gruppen mit je fünf Mitgliedern gleichberechtigt vertreten sind. Auch in den vier Krankenhäusern der Stadt, die wieder arbeiten, funktioniert dieses System. Alle wollen auch nur den Ansatz eines ethnischen Konflikts verhindern. Das Zentralkrankenhaus "Saddam" soll von sofort an "Freiheit" heißen.
Am Montag wurden von der Türkei aus erste Hilfstransporte nach Kirkuk in March gesetzt. Im Auftrag des UNO-Welternährungsprogramms starteten 30 Lastwagen mit Linsen und Zucker in den Irak, um die Not im kriegszerstörten Norden des Irak zu lindern, wie von der UNO mitgeteilt wurde. Die Fracht soll am Dienstag in der Ölmetropole eintreffen.