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Vorsorge für das Kriegsende

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Sowohl die USA als auch die Taliban rechnen damit, dass in Afghanistan irgendwann einmal über Frieden verhandelt wird - und dann will jede der beiden Streitparteien eine starke Position haben.


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Während die USA und die Taliban einander auf dem Schlachtfeld noch immer beschießen, sondiert im Hintergrund offenbar jeder für sich, wie eine politische Aussöhnung aussehen könnte. Da beide dann natürlich aus einer möglichst starken Position verhandeln wollen, bedeutet das, dem anderen zuvor noch größtmögliche Verluste zuzufügen. Beide Seiten scheinen darauf zu setzen, dass das Durchhaltevermögen des anderen Grenzen hat.

US-Befehlshaber sehen Anzeichen, dass ihre energischen Lebend-oder-tot-Aktionen die Taliban erschüttert haben, und drängen Aufständische, Verhandlungen mit Präsident Hamid Karzai in Betracht zu ziehen. 525 Kämpfer wurden allein in den vergangenen vier Monaten gefangen genommen oder getötet, darunter 130 vom Rang eines Bezirkskommandanten und ranghöher.

"Unter den Taliban gibt es eine Diskussion über die Möglichkeiten, den Konflikt zu beenden", sagt ein ranghoher Militärmitarbeiter unter Verweis auf Verhöre und Geheimdienstinformationen: "Sie versuchen rauszufinden, wie die Bedingungen wären, inklusive Fragen wie Bringen wir uns in Lebensgefahr? - Wie könnten wir die Sache angehen? - Bekommen wir unseren Platz in der afghanischen Regierung?".

Gefangene Taliban gaben in Verhören zu, dass der US-Beschuss in Afghanistan und die Predator-Angriffe auf ihre Zufluchtsorte in Pakistan ihnen arg zusetzen. Vor allem rangniedrige Taliban-Kämpfer sollen sich zunehmend über ihre Lage beklagen. Aber US-Präsident Barack Obama und Mitglieder seines Teams sind nach wie vor skeptisch, dass Taliban-Führer Mohammad Omar schon zu ernsthaften Kompromissen bereit ist. "Wir haben nicht den geringsten Beweis, dass er an einer Beilegung wirklich interessiert ist", warnt CIA-Chef Leon Panetta. Und so lautet die US-Strategie weiterschießen, in der Hoffnung, dass der Gegner nächstes Jahr, wenn der US-Truppenabzug starten soll, nachgiebiger sein wird.

Komplizierend auf die Situation der USA und der Taliban wirken sich die jüngsten Gespräche von Afghanistans Präsident Karzai und Pakistans Armee-Chef General Ashfaq Kiyani aus. Die Pakistaner wollen die Vermittler jedweder Einigung in Afghanistan sein. Karzai scheinen sie bereits weitgehend überzeugt zu haben, dass sie nach dem Beginn des US-Truppenabzugs 2011 langfristig der verlässlichste Partner für Afghanistan sein werden.

Um Herz und Hirn der Afghanen zu gewinnen, haben die Taliban ihre eigene Version bevölkerungszentrierter Taktik entwickelt. Laut US-Geheimdienstberichten hat Omar seinen Leuten aufgetragen, möglichst zu verhindern, dass Zivilisten zu Schaden kommen, die lokale Verwaltung effektiver zu gestalten und Korruption zu bekämpfen. Unbeliebte und unfähige Taliban-Führer werden zurückbeordert, berichtet ein US-Militärbeamter in Kabul.

Beide, die USA und die Taliban, haben erhebliche Vorbedingungen für Verhandlungen gestellt und damit bisher jeden ernsthaften Dialog vereitelt. Die USA bestehen darauf, dass die Taliban ihre Waffen niederlegen, jede Verbindung zu Al-Kaida aufgeben und die Menschenrechtsbestimmungen der afghanischen Verfassung akzeptieren. Die Taliban wiederum fordern den Abzug aller ausländischen Truppen.

Aussöhnung ist in der Pashtun-Kultur nur bei einem Gleichgewicht der Kräfte, das für gegenseitigen Respekt und Sicherheit sorgt, möglich. Bisher haben aber weder die USA noch die Taliban eine Aussöhnungsstrategie, die dem entspricht.

Übersetzung: Redaktion Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post". Originalfassung