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Vorsorgemedizin unter der Lupe

Von Alexandra Grass

Politik

Das System der derzeitigen Vorsorgeuntersuchung ist überholt und entspricht nicht mehr dem Stand der modernen Medizin. Eine Reform ist derzeit in Vorbereitung. Losgebrochen ist indessen eine Diskussion über die Kostenfrage. Die Politik erhofft sich in Folge der Adaptionen Einsparungen für das Gesundheitssystem - Experten melden Zweifel an.


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Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger hat bereits Details genannt: So soll sich der neue Check an Vorsorgezielen und nicht nur an Untersuchungen orientieren. Für jeden Untersuchten soll am Ende ein Risikoprofil erstellt werden. Mit dessen Hilfe und Zuordnung zu einer Risikoklasse - etwa familiäre Belastungen, ungesunder Lebensstil - soll das Bewusstsein für die Eigenverantwortung gestärkt werden. Es wird auch alters- und geschlechtsspezifische Richtlinien geben.

Ziel ist es, die Volkskrankheiten - von einigen Experten auch als "Krankheiten des Übermaßes" bezeichnet - wie etwa Herz-Kreislaufprobleme, Bluthochdruck oder erhöhte Blutzuckerwerte zu erkennen und zu verhindern helfen. Auch soll Karzinombildungen - zu den häufigsten Krebserkrankungen zählen die des Darmes, der Gebärmutter und der Brust - durch Vorsorge frühzeitig entgegengewirkt werden können.

Derzeit werden internationale Screeningprogramme unter die Lupe genommen und für Österreich adaptiert, wie Karin Singer, im Hauptverband für den Bereich Gesundheitsförderung und -prävention zuständig, gegenüber der "Wiener Zeitung" schildert. Prinzipielle Zielsetzung ist, "dass die Leute sehr gesund ins hohe Alter kommen". Es sollen sogenannte Call- und Recallsysteme installiert werden, durch die die ÖsterreicherInnen an die Möglichkeit einer Vorsorgeuntersuchung erinnert werden sollen.

Unterdessen ist eine Diskussion über die Kostenfrage losgebrochen. Die Politik erhofft sich durch die in Vorbereitung befindlichen Maßnahmen Einsparungen für das Gesundheitssystem. Einige Medizin-Experten hatten zuletzt aber Zweifel angemeldet. "Selbst wenn die gesellschaftlichen Kosten durch Früherkennungsprogramme bei einzelnen Krankheiten abnehmen sollten, was wohl für die wenigsten Krankheiten zutreffen wird, ist nichtsdestoweniger damit zu rechnen, dass die Gesundheitskosten durch systematische sekundäre Präventionsprogramme erheblich ansteigen werden", so der Pharmaökonom Werner Clement. Vor allem sei auch durch die Steigerung des medizinischen Fortschritts die Finanzierung wie in der Vergangenheit nicht mehr möglich.

Überdies gebe es "gefährliche" Bereiche in der Medizin, wie etwa die Chirurgie, gab der Kölner Chef-Chirurg Hans Troidl, zu bedenken. Drei US-Studien hätten etwa gezeigt, "dass durch vermeidbare Fehler in der Chirurgie mehr Menschen zu Tode kommen als bei Verkehrsunfällen". Er fordert eine neue Sicherheitskultur und entgegen den Forderungen der Politik mehr Geld für moderne Technik.

Der Gesundheitsökonom Christian Köck hält eine bessere Vorsorgemedizin für "richtig und gut", die Hoffnung, dass Kosten gespart werden können, sei allerdings "unsinnig". Eine zielgerichtete und zielgruppenorientierte Vorsorge könne zwar Geld sparen - die Menschen leben länger und sind nur für kurze Zeit krank - durch die längere Lebenserwartung steigen die Kosten dennoch, so Köck zur "Wiener Zeitung".

Singer hält eine Kosten-Nutzen-Rechnung für "unethisch". Wenn damit begonnen wird, "kann man auch sagen, wir lassen's gleich". Das aktuelle Vorsorgeprogramm kostet 60 Mill. Euro pro Jahr. Das neue Programm werde zwar mehr kosten, "aber was kurativ erspart werden kann, kann niemand abschätzen".

Die Zahl der Vorsorgeuntersuchungen ist von 1990 bis 2002 von 427.000 auf rund 856.000 gestiegen. Eine erfreuliche Steigerung, doch nutzen sie durchschnittlich nur zehn Prozent der Bevölkerung, erklärt Singer. Ein sinnvolles Screening sei aber erst bei einer Flächendeckung von 40 Prozent gegeben. Der Hauptverband strebt an, "eine gute Vorsorgeuntersuchung zu machen, die alle Bevölkerungsteile erreicht".