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Vorsorgen statt Nachsorgen in Mali

Von Ronald Schönhuber

Politik

UN-Militäreinsatz soll verhindern, dass Mali zum Jihadisten-Aufmarschgebiet wird.|Viele Fragen bleiben aber ungelöst


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Washington/Bamako. Oumar Ould Hamaha hat einen Plan. "Wir wollen den Einfluss von Ansar Dine auf weitere Städte und Gemeinden im Norden von Mali ausdehnen", sagt der 47-Jährige mit dem markanten, rot gefärbten Kinnbart. Um sein Ziel zu verwirklichen, hat Hamaha eine neue Brigade mit dem Namen Ansar Shariah aufgestellt, die Flagge der Einheit, auf der "Es gibt keinen Gott außer Allah" geschrieben steht, weht bereits über der Oasenstadt Timbuktu.

In der Hauptstadt Bamako wie auch in den westlichen Staaten wird die Gründung des neuen Ansar-Dine-Flügels hingegen mit zunehmender Sorge beobachtet. Seit die Kämpfer der radikalislamistischen Bewegung im Sommer die Kontrolle über weite Teile Nordmalis an sich gerissen haben, sind mehr als 400.000 Menschen aus der Region geflohen. In den Gebieten, in denen die Islamisten das Sagen haben, wurde die Scharia in ihrer striktesten Form eingeführt. Westliche Musik ist tabu, für Frauen gilt ein strenger Kleiderkodex und unverheiratete Paare dürfen weder gemeinsam über die Straßen gehen, noch im Bus nebeneinandersitzen. Wer sich widersetzt, wird eingeschüchtert, bedroht oder geschlagen. Auch von Steinigung und Amputationen als Strafe für Verbrechen ist immer wieder die Rede.

Afrikaner führen Einsatz

Doch das steinzeitliche Schreckensregime ist nur ein Grund für die zunehmende Beunruhigung im Westen. Ein zweiter liegt in den Verbindungen der Ansar Dine. Den Islamisten werden auch enge Beziehungen zur Al-Kaida nachgesagt und schon seit einiger Zeit geht die Angst um, der Norden Malis könnte zu einem Rückzugs - und Aufmarschgebiet für Jihadisten aus aller Herren Länder werden.

Dementsprechend klar fiel am Donnerstagabend daher auch die Entscheidung für die Entsendung einer internationalen Eingreiftruppe nach Mali aus. Einstimmig nahmen die 15 Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats den französischen Resolutionsentwurf an, der eine Intervention unter Führung der westafrikanischen Staatengemeinschaft Ecowas vorsieht. Die Afisma-Mission solle die Regierung Malis "mit allen notwendigen Mitteln" im Kampf gegen Terroristen und bewaffnete Rebellengruppen im Norden unterstützen, heißt es in der in New York verabschiedeten Resolution.

Der UNO-Einsatz ist zunächst auf ein Jahr befristet und wird wahrscheinlich nicht vor September 2013 beginnen. Die Afrikaner werden dabei aber nicht nur die Führung übernehmen, sondern auch den absoluten Großteil der militärischen Last schultern. Die Ecowas-Gemeinschaft hatte bereits im Vorfeld um die Autorisierung einer Truppe von 3000 Soldaten verschiedener afrikanischer Staaten gebeten. Die EU will sich an der Mission hingegen nur mit einer 200 Mann starken Ausbildungstruppe beteiligen, Österreich wird sich überhaupt nicht in Mali engagieren. Man sei mit den beiden Friedenssicherungseinsätzen am Balkan und im Nahen Osten bereits an den Kapazitätsgrenzen angelangt, sagt Stefan Hirsch, der Sprecher von Verteidigungsminister Norbert Darabos, gegenüber der "Wiener Zeitung".

Ein Bündnis mit den Tuareg?

Unklar ist allerdings noch die Finanzierung des Einsatzes, der laut Diplomaten 200 Millionen Dollar pro Jahr kosten dürfte. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hatte nach Beschluss der Resolution erklärt, seine Organisation könne die internationale Truppe nicht finanzieren und hatte damit einigermaßen für Verärgerung bei den afrikanischen Staaten gesorgt.

Der Einsatz ist derzeit aber ohnehin eher als Druckmittel gedacht, um die Verhandlungsposition der derzeit in Bamako amtierenden Übergangsregierung zu stärken. Militärische Gewalt solle erst angewendet werden, wenn alle politischen Bemühungen ausgeschöpft sind, heißt es in der UN-Resolution. Bei den Verhandlungen setzt der Westen auch auf die Tuareg-Rebellen, die bereits seit Jahrzehnten von einem eigenen Staat mit dem Namen Azawad träumen und die daher zunächst auch mit der Ansar Dine gemeinsame Sache machten. Da dieses Bündnis aber wegen der strikten Auslegung der Scharia wieder zerfallen ist, könnten sich die Tuareg nun möglicherweise gegen die Islamisten mobilisieren lassen.