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Steiermark setzt auf Forschung und Industrieförderung - mit Erfolg.
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Graz. Es ist ausgerechnet der Moment, als man gar nichts mehr versteht, in dem man begreift, warum Martin Rossmann eine Schnapsidee in die Tat umgesetzt hat. Vor zehn Jahren machte sich Rossmann daran, mit einer kleinen Garagenfirma in einen spezialisierten, hochtechnologischen, vor allem aber: besetzten Markt einzudringen, der noch dazu enorm kostenintensiv ist. Rossmann baut mit seiner Firma Axis Flugsimulatoren. Und das ist ein bisschen so, als würde ein Automechaniker auf einmal einen Formel-1-Wagen fertigen wollen.
Bei einem Betriebsbesuch in Lebring in der Steiermark gerät Martin Rossmann dann derart überschwänglich ins Erzählen über Flugsimulatoren, dass sich die anwesenden Journalisten zwischendurch so fühlen, als seien sie erstsemestrige Philosophiestudenten, die sich in eine Vorlesung über diskrete Mathematik verirrt haben. Um was geht es da genau?
Tags darauf muss eine Mitarbeiterin Rossmanns per E-Mail darauf hinweisen, dass es "in einem mit Begeisterung geführten Gespräch vorkommen kann, dass Informationen gesagt werden, die nicht für die Öffentlichkeit geeignet sind." Man solle daher - bitte - keine potenziellen Kunden namentlich nennen.
Diese Begeisterung Rossmanns ist jedoch eine Grundvoraussetzung gewesen, die Firma Axis in dem sehr schwierigen Marktumfeld zu etablieren - neben einem hohen Maß an Sturheit, Know-how und finanzieller Ausdauer. "Die ersten fünf Jahre waren sehr, sehr schwierig", sagt Rossmann. Die Simulatoren, die Axis baut, sind keine besseren Computerspiele. Sie sind detailgetreue Nachbauten von Cockpits samt Software, mit denen sich alle möglichen Situationen durchspielen lassen. Allein die Entwicklung eines Simulators dauert Jahre und kostet ein paar Millionen Euro.
Die Firma Axis hat sich auf den ehemaligen Philips-Gründen niedergelassen, in denen der Elektronikkonzern bis vor elf Jahren 700 Personen beschäftigte, ehe das Werk geschlossen wurde. Und so wird die Betriebsführung dann auch zu einer Art Erfahrungsspaziergang zum Strukturwandel in der Steiermark. Denn dort, wo einst an Bildschirmröhren geschraubt wurde, stehen heute riesige Flatscreens, auf denen Fachhochschulabsolventen Flugsimulatoren berechnen.
Steirischer Strukturwandel
Und so sieht sich auch das Bundesland selbst: Als nach wie vor starker Produktionsstandort, jedoch mit hoher wissenschaftlicher Kompetenz und Fokussierung auf Technologie. "Wir sind da auffällig geworden", sagt Christian Buchmann, Wirtschaftslandesrat der ÖVP. Die EU hat die Steiermark neben Süddänemark und Nord-Pas-de-Calais in Frankreich zu den "Unternehmerregionen 2013" ernannt. "Weil wir Wissenschaft und Wirtschaft sehr gut verbunden haben", erklärt Buchmann. "Wir haben eine hohe Ingenieurskompetenz, sind auch das einzige Bundesland mit zwei technischen Universitäten."
Mit einer Forschungs- und Entwicklungsquote von 4,3 Prozent liegt die Steiermark österreichweit klar über dem Durchschnitt (2,8 Prozent), bis zum Jahr 2025 soll diese Quote auf fünf Prozent gesteigert werden. Es ist eine recht klare, an einen uralt Werbeslogan angelehnte Strategie, mit der die Steiermark dem Strukturwandel begegnet: Vorsprung durch Technik. Und selbst Unternehmen, die die steirische, einst grundstofflastige Industrie lange geprägt haben, haben einen innerbetrieblichen Strukturwandel hinter sich und konzentrieren sich auf Nischen, in denen sie heute bisweilen Technologieführer sind. Die Voest etwa stellt in Fürstenfeld einen 0,08 Millimeter dünnen Draht her, Anlagenbauer Andritz ist Weltmarktführer bei speziellen Turbinen und Generatoren für Kleinwasserkraftwerke.
In vielen Köpfen besteht die Steiermark nach wie vor aus den einst verstaatlichten Betrieben: Voest, Böhler, Alpine und aus dem fast schon sagenumwobenen Erzberg. Doch der spielt so gut wie gar keine Rolle mehr und wird bald nur noch ein Denkmal sein. "Es ist uns der Wandel zu einer wissensbasierten Produktionsgesellschaft gelungen", sagt Landesrat Buchmann. Deshalb lud das Land auch zur Präsentation ausgewählter Betriebe.
Hohe Beschäftigungszahlen
Einfach so ist dieser Wandel freilich nicht passiert, seit Jahren wird intensiv gefördert, über die Steirische Wirtschaftsförderungsgesellschaft (SFG) fließen jährlich zwischen 40 und 80 Millionen an Beihilfen in unternehmerische Projekte, darunter sind auch EU-Mittel, die sich seit dem Beitritt 1995 auf 2,2 Milliarden Euro belaufen. "Wir haben sie gut angelegt", sagt Buchmann.
Die Beschäftigungszahlen geben ihm recht. Mitte der neunziger Jahre lag die Arbeitslosigkeit infolge der Verstaatlichtenkrise zwei Prozentpunkte über dem landesweiten Durchschnitt, heute liegt die Steiermark mit 6,4 Prozent knapp darunter. "Wir gehen auch ganz gezielt ins Ausland, um Unternehmen auf unseren Standort aufmerksam zu machen", sagt SFG-Geschäftsführer Burghard Kaltenbeck.
Einen Fokus auf Internationalität legt auch das Biotechnologie-Zentrum Acib, das im Eigentum von vier österreichischen Universitäten und dem Joanneum ist. In den Laboren von Acib in Graz wird an industriellen Anwendungen von Enzymen geforscht. Das Geld kommt zur Hälfte von öffentlicher Hand im Rahmen der Exzellenzforschung des Comet-Programms des Bundes, zur Hälfte von Partnern aus der Industrie, die teilweise eben internationale Konzerne sind. Doch auch mehr als ein Viertel der Forscher kommt aus dem Ausland. "Wir wollen die besten Köpfe", sagt Acib-Chef Mathias Drexler.
In den Laboren von Acib wurde etwa ein Enzym entwickelt, das in Lacken das gesundheitsschädigende Schwermetall Kobalt ersetzt. Ein industrieller Partner, die Firma Cytec, übernimmt die Produktion, "da geht’s dann auch um viel Geld", erklärt Thomas Stanzer, Pressesprecher von Acib. Viel Geld für das Unternehmen, nicht aber für Acib, das ein nicht gewinnorientiertes Institut ist. Und das ist doch ein kleines Aber.
Indirekte Industrieförderung
Die Industrie kann auf Kosten des Staates Forschung und Entwicklung auslagern und erhält obendrein die Patente. "In Wirklichkeit läuft es so", sagt Stanzer. Zwar würde auch Acib an Erlösen mitnaschen, "aber der Anteil ist klein". Doch auch die Forscher und Unis profitieren von diesem Public Private Partnership. "Wissen ist Macht", sagt Stanzer, und dieses Wissen bleibt bei Acib, wenn die Forscher nicht abgeworben werden. Die meist jungen Wissenschafter, darunter viele Diplomanden, könnten unter guten Bedingungen forschen, und dass ihre Entwicklungen bisweilen zu konkreten Produkten führen, dient auch als Motivation.
Mit hör- und sichtbarem Stolz verweist Landesrat Christian Buchmann darauf, dass drei von fünf Comet-Exzellenzzentren in der Steiermark beheimatet sind, die anderen forschen im Bereich Werkstoffe und Prozesstechnik sowie Mobilität, was angesichts des Automobilclusters logisch ist. Mit Autos, die in der Steiermark gefertigt wurden, werden die Journalisten dann auch im Rahmen der Reise von den Acib-Laboren nach Hart gebracht, wo die Firma Knapp residiert, ein weltweit führenden Unternehmen im Bereich Lagerlogistik und Lagerautomatik.
Nicht nur die neuen Magna-Autos machen deutlich, dass die Präsentation von Europas "Unternehmerregion 2013" auch eine Art Werbefahrt für die Steiermark ist. Franz Mathi, der Geschäftsführer der Knapp AG, trägt bei seinen Ausführungen betont dick auf: "Wir sind stolz auf das, was wir hier geleistet haben", sagt Mathi. Er spricht von einem "Globalisierungsfeldzug aus einem Vorort von Graz", verweist auf jährliche Wachstumsraten von bis zu 15 Prozent, und dann wird noch eine Art Datenbrille präsentiert, die im Unternehmen selbst entwickelt wurde. Auch das vom Medienkünstler Richard Kriesche umgestaltete, regelrecht inszenierte und natürlich gläserne Hauptquartier, die schicken Vitra-Sessel im Konferenzraum schreien förmlich, dass es sich hier um einen wahren Musterbetrieb handelt.
Und die Knapp AG taugt auch als gutes Beispiel dafür, wozu Ingenieurskunst führen kann. Heute ist Knapp ein weltweit agierender Konzern, der rund 1800 Beschäftigte hat. Die Spezialisierung auf Lagerlogistik hat sich über die Jahrzehnte erst ergeben. Am Anfang stand der Erfindergeist von Firmengründer Günter Knapp. Von ihm stammt eine wichtige Errungenschaft, ohne der das kulinarische Angebot in Österreich um einiges ärmer wäre. Günter Knapp war Erfinder der Krapfenfüllmaschine.