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Vorstellbar und doch unmöglich

Von Matthias Nagl

Politik

Rechnungshof rügte Zulagen der Länder an ihre Lehrer - Zeit für ein Gedankenexperiment zur Steuerautonomie der Länder.


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Salzburg. Stein des Anstoßes waren Weihnachtsgeschenke. Es klingt wie der Beginn eines Familienstreits, und im Grunde hat die Beziehung zwischen Bund und Ländern auch etwas Familiäres. Dass nun der Rechnungshof bei der freihändigen Vergabe von bundesfinanzierten Weihnachtsgaben durch die Länder an pensionierte Landeslehrer Konfliktpotenzial entdeckt, sollte also nicht verwundern.

Tatsächlich geht es bei der im jüngsten Rechnungshofbericht beleuchteten Materie, der Bezahlung von Landeslehrern, um den monetären Kern der Beziehungen zwischen Bund und Ländern, den Finanzausgleich. Dieser regelt die Geldflüsse zwischen dem Bund und den einzelnen Bundesländern. Ein wesentlicher Teil davon entfällt auf die Bezahlung aktiver und pensionierter Landeslehrer.

Im Budget 2011 ging es dabei um eine Gesamtsumme von rund 4,6 Milliarden Euro. Zur Einordnung: Insgesamt bekamen die Länder und Gemeinden 2011 vom Bund knapp 27,5 Milliarden Euro der gesamten Steuereinnahmen in der Höhe von 82,9 Milliarden Euro. Der Rechnungshof untersuchte die Pensionszahlungen an Landes-, also Pflichtschullehrer in Oberösterreich und Salzburg im Jahr 2011 und fand dabei Erstaunliches.

Auch wenn es sich im Vergleich zur Gesamtsumme um eine vernachlässigbare Größe von etwa 150.000 Euro handelt, verstießen die Länder mit der Auszahlung von Zulagen und Weihnachtsgaben und deren Berücksichtigung für die Pensionen gegen das Pensionsgesetz. "Der Bund hatte aufgrund fehlender Kontrollen keine Kenntnis davon", schreibt der Rechnungshof. Salzburg stellte aufgrund der Rechnungshof-Prüfung die Auszahlung einer Zulage an die Landeslehrer ein, Oberösterreich hatte das schon zuvor gemacht. Somit und überhaupt, argumentierten die beiden Länder, handle es sich dabei um eine auslaufende Problematik.

Länderfinanzierte Landeslehrer?

Könnten sie die Kosten nicht einfach auf den Bund abwälzen und wären selbst für die Finanzierung der Lehrer und ihrer Pensionen zuständig, würden die Länder die Sache eventuell nicht ganz so entspannt sehen. Dazu bräuchte es freilich die in wiederkehrender Regelmäßigkeit diskutierte Steuerautonomie der Länder.

Die ist trotz wiederholter Diskussion - auch vor der Veröffentlichung des RH-Berichts entspann sich eine entsprechende Blitzdebatte - aber weit von einer Umsetzung entfernt. Denkunmöglich ist eine solche Konstruktion trotzdem nicht. "Es wäre aus meiner Sicht schon vorstellbar, die Finanzierung der Landeslehrer den Ländern zu übertragen", sagt der Direktor des Instituts für Föderalismus, Peter Bußjäger.

Ganzheitlicher Ansatz notwendig

Dazu bräuchte es als ersten Schritt allerdings eine ernsthafte und sachliche Diskussion des Themas Steuerautonomie, was bisher praktisch nicht möglich war. "Die Diskussion der Steuerautonomie bleibt immer an der Oberfläche haften und in den Grundsätzen stecken", sagt Bußjäger. Das führt dazu, dass Für und Wider einer Steuerautonomie zwar von allen Seiten wortreich begründet werden. Wie eine solche Steuerhoheit der Länder aussehen könnte oder nicht, wird aber verschwiegen.

Die konstruktivsten Beiträge zum Thema erschöpfen sich in der Frage, welche Steuern denn zu den Ländern wandern könnten. Was die Länder mit diesem Geld tun sollen oder müssen, ist schon deutlich seltener Gegenstand der Debatte. Dabei wäre eine großflächigere Betrachtung des Themas essenziell, zieht man eine Steuerautonomie ernsthaft in Erwägung.

Bußjäger denkt dabei an das Konzept des Wettbewerbsföderalismus. "Ziel wäre, dass es zu einer Gesamtsteuerentlastung kommt. Die Idee ist, dass die Länder ihre Steuersätze herabsetzen, um attraktiver zu werden", erklärt der Föderalismusforscher. Das würde natürlich auch bedeuten, dass "der Bund seine Steuersätze herabsetzen müsste". Die Einkommenssteuer ist ein möglicher Ansatzpunkt.

"Der Bund würde seinen Anteil daran runtersetzen und die Länder könnten zusätzliche Mittel einheben", sagt Bußjäger. Legt man diesen Gedanken vereinfacht auf das Beispiel mit den Landeslehrern um, hätten die Länder für deren Finanzierung im Jahr 2011 etwa 12,4 Prozent des Gesamtaufkommens der Einkommenssteuer benötigt. Diese brachte damals 37,1 Milliarden Euro ein.

Eine solche Reform hätte natürlich auch Auswirkungen auf den Finanzausgleich, die wichtigste finanzielle Querverbindung zwischen Bund und Ländern. Die Mittel im Finanzausgleich müssten gestutzt werden und "die Länder müssten diese Kürzungen aus ihren eigenen Mitteln finanzieren". Ein Beibehalten des Finanzausgleichs und zusätzliche Steuern für die Länder "wären sicher nicht sinnvoll", so Bußjäger.

Nicht in jedem Bereich sinnvoll

Dabei müsste natürlich klar sein, "welche Manövriermasse es gibt". Das heißt, in welchem Umfang die Länder Steuern einheben können und selbst Aufgaben übernehmen. In der Folge könnte man den Finanzausgleich durchforsten. Dabei gibt es auch Bereiche, die weniger Sinn für eine Verländerung machen würden. Die Gesundheitsfinanzierung ist ein solcher Fall. Dafür erhielten Länder und Gemeinden im Jahr 2011 Zuschüsse in der Höhe von 693 Millionen Euro.

"Ich glaube nicht, dass man dieses komplexe System mit einer Steuerautonomie bereinigen könnte. Es wäre sinnvoller, die mit der Gesundheitsreform eingeleiteten Zielsteuerungen konsequent weiterzuführen", sagt Bußjäger. Im Bereich der Pflichtschulen ist das anders. "Bei der Schulorganisation könnte man durchaus flexibler sein", glaubt Bußjäger. Die Lehrpläne und die Grundzüge der Organisation müssten freilich einheitlich und Bundessache bleiben, sagt er.

Doch das derzeitige Konstrukt sei ohnehin unbefriedigend. Denn das Dienstrecht der Lehrer ist Bundessache, formal sind die Pflichtschullehrer aber Landesbedienstete. "Es wäre sicher sinnvoller gewesen, das Dienstrecht der Lehrer auf die Länder zu übertragen", sagt Bußjäger. Doch spätestens an diesem Punkt kommt man an den Haken der Denkübung: "Das ist politisch nicht realistisch", ist Bußjäger überzeugt.

Und somit ist man auch schon beim Grundproblem jeder Diskussion über die Steuerautonomie. Für eine Steuerautonomie müsste der Bund seinen Steueranteil zurückfahren, die Länder müssten unangenehme Aufgaben übernehmen. "Genau an diesem Punkt ist es bisher immer gescheitert", sagt Bußjäger.