Peer Steinbrück verspürt nach dem SPD-Parteitag wieder Rückwind und stürzt sich in den Wahlkampf.
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Hannover. Weiter geht es: Am Sonntag auf dem SPD-Parteitag hat Peer Steinbrück gezeigt, dass er doch der richtige Kandidat für das Regierungsprogramm der Genossen ist. Angela Merkels Herausforderer hat in Augsburg eine kluge und vor allem durch und durch sozialdemokratische Rede gehalten. Die Parteifreunde - so wirkte es - dürften Auftrieb verspüren. Und ihr Kanzlerkandidat setzte sich gestärkt ins Auto und ließ sich ins 600 Kilometer entfernte Hannover, die Hauptstadt Niedersachsens, fahren.
Im 14. Stock des "Conti-Hochhauses" der Leibniz-Universität Hannover steht er am frühen Montagmittag Studenten Rede und Antwort. Es ist heiß, die Luft steht, Steinbrück sieht ein wenig geschlaucht aus. Der Vertreter der Jungsozialisten begrüßt die Teilnehmer und wünscht "ne super Veranstaltung", in der man mehr darüber erfahren werde, was "auf bundespolitischer Ebene so abgeht".
Ja, der Bundesparteitag in Augsburg sei "kein schlechter" gewesen, sagt Steinbrück auf der überfüllten Veranstaltung und erläutert: US-Präsident Barack Obama habe die Wahlen, speziell die letzte, gewonnen, weil "er vor Ort war. Weil er Leute hatte, die gelaufen sind." Und Steinbrück weiß, dass er am Sonntag etlichen das Gefühl vermittelt hat, dass es sich lohnt, für ihn zu laufen, "Mundfunk" zu betreiben, wie er das nennt.
Auch die Sozialdemokraten hätten sich nicht genug dem "neoliberalen Denken" entgegengestemmt, hatte Steinbrück am Sonntag gesagt - ein wenig Selbstkritik für jene, die sich von der SPD unter Gerhard Schröder und seiner neuen Mitte abgewandt hatten. Angesprochen sollten sich wohl aber auch jene Genossen fühlen, die über die Nominierung von Steinbrück nicht glücklich gewesen waren, galt der einstige Finanzminister ja nicht als Vertreter des "linken" Lagers.
Anders als Vizekanzler Philipp Rösler (FDP) finde er nicht, dass Deutschland "das coolste Land der Welt" sei, hatte Steinbrück in seiner Rede außerdem gesagt. 800.000 Vollzeitbeschäftigte, die weniger als 6 Euro Lohn pro Stunde bekämen, 1,5 Millionen junge Menschen ohne Ausbildung und Zeitarbeiter, die teils bis zu 40 Prozent weniger verdienten als gleich qualifizierte festangestellte Kollegen, würden eine andere Sprache sprechen. Mit einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes und der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns will Steinbrück das "Bündnis zwischen Schwachen und Starken schmieden". Ein solches sei "kein Selbstzweck, sondern Garant für eine friedfertige Gesellschaft und für erfolgreiches Wirtschaften".
Willkommene Alternative
Auch in Hannover wollen die Studenten noch einmal hören, was Steinbrück zu früheren Steuersenkungen unter Rot-Grün und der Schröderschen Reformpolitik Agenda 2010 sagt. Und wie er die "Alternative für Deutschland" finde, die sich am Wochenende in Berlin gegründet habe. Die Partei sei ein größeres Problem für CDU und CSU als für die SPD. "Und jedes Problem, das die haben, halte ich für hochwillkommen", antwortet der 66-Jährige.
Feststehe für ihn aber auch, dass die Partei populistisch und gefährlich sei. Dann holt der Volkswirt zu einer seiner berühmten historischen und wirtschaftlichen Lehreinheiten aus. Deutschland sei trotz der Naziverbrechen in die europäische Integration eingeladen worden. "Das ist ein Wunderwerk gewesen." Auch Deutschland müsse dieses Europa nun zusammenhalten. "Und nehmen wir an, es gebe eine Renationalisierung der Währungen. Was glaubt ihr, was passieren würde?", fragt Steinbrück und schaut in den Raum. "Richtig! Wer hat das gesagt? Ja, die D-Mark würde aufgewertet, die Exporte wegbrechen." Die D-Mark wieder einführen zu wollen, sei "ökonomischer Schwachsinn und politisch unverantwortlich".