Amtsinhaber stilisiert Wahl zum Duell Mittelklasse gegen Millionäre hoch.
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Columbus/Richmond. Ein sichtbar gealterter Mann betritt die Bühne. Immer mehr weiße Haare mischen sich unter seine kurzen schwarzen Locken. Betont volksnah gibt er sich; mit aufgekrempeltem Hemd und ohne Krawatte verausgabt er sich bis zur Heiserkeit. Und entfacht beim Publikum einen Zauber, der an 2008 erinnert. US-Präsident Barack Obama macht, was er am besten kann: Wahlkampf.
Anfang November wählen die Amerikaner ihren Präsidenten, am Wochenende stieg der Amtsinhaber offiziell in das Rennen um das Weiße Haus ein. 14.000 Anhänger jubeln ihm am Samstagvormittag in Columbus zu, einige Stunden später feiern ihn 8000 Personen frenetisch in der alten Südstaaten-Hauptstadt Richmond. Hunderte halten Plakate in die Höhe, auf denen ein Word prangt: "Forward" (Vorwärts). Mit dieser Devise will Obama gegen seinen republikanischen Herausforderer Mitt Romney punkten. "Hope" (Hoffnung) und "Change" (Wandel), die legendären Schlagwörter im Wahlkampf 2008 sind passé - oder auch nicht.
Nahtlos knüpft der US-Präsident mit dem neuen Slogan an die alte Kampagne an. "Hope" und "Change" sollen in der zweiten Amtsperiode umgesetzt werden. "Ich garantiere Euch, wir werden dieses Land nach vorne bringen. Wir werden zu Ende bringen, was wir angefangen haben", trommelt Obama in Richmond. Ein Rezept, das "durchaus funktioniert, um eine taugliche Wahlkampfbotschaft auf den Punkt zu bringen", analysiert Stefan Bachleitner. Der Leiter der Wiederwahlkampagne von Präsident Heinz Fischer 2010 sieht Obamas Kernaussage so: "Trotz des schwierigen Erbes der Bush-Ära sind die Vereinigten Staaten unter Obama vorwärtsgekommen. Mit seiner Wiederwahl wird das Land weiter auf dem richtigen Weg bleiben. Mit den Republikanern hingegen geht es zurück zu jenen Rezepten, die die Wirtschaftskrise mitverschuldet haben."
Romneys "schlechte Ideen"
Gezielt appelliert Obama an die Mittelschicht. Er verstehe, dass Amerikas Größe auf einer starken, sicheren Mittelklasse aufbaue, heißt es in einem Wahlkampfvideo. Im Gegensatz dazu sei der Multimillionär Romney jemand, der die Sorgen und Nöte der Bürger nicht verstehe. Der Ex-Gouverneur von Massachusetts werde "schlechte Ideen" seiner Partei durchwinken, warnte Obama in Richmond: weitere Steuererleichterungen für Reiche, Kürzungen im Bildungsbereich und der Gesundheitsversorgung sowie weniger Regulierung für die Finanzindustrie.
Obama selbst kann eine alles andere als makellose Bilanz vorweisen: Zwar sind die US-Truppen aus dem Irak abgezogen und der Fahrplan für ein Ende der Afghanistan-Mission steht. Mit der Tötung von Al-Kaida Chef Osama bin Laden gelang sogar ein Coup. Die noch immer angespannte Wirtschaftslage der Vereinigten Staaten im Zuge der weltweiten Krise macht Obama aber schwer zu schaffen. Über acht Prozent der Amerikaner sind arbeitslos. Zudem ist das umstrittene Gefangenlager Guantanamo noch immer nicht geschlossen und die Gesundheitsreform hängt an einem seidenen Faden - der Oberste Gerichtshof entscheidet im Sommer über deren Rechtmäßigkeit.
Anstatt wie 2008 den Einer der nach der Präsidentschaft von George W. Bush gespaltenen Nation zu geben, polarisiert Obama selbst. Dem US-Präsidenten steht daher ein harter Wahlkampf bevor. Seine ersten beiden Stationen liegen in den Bundesstaaten Ohio und Virginia - zwei sogenannte "Battleground States", in denen nicht von vornhinein der Gewinner feststeht. Vor vier Jahren setzte sich Obama als erster Kandidat der Demokraten seit Lyndon B. Johnson 1964 bei einer Präsidentschaftswahl in Virginia durch.
Einen weiteren Konkurrenten um das Präsidentenamt hat Obama: Der Ex-Gouverneur New Mexikos, Gary Johnson, tritt für die Libertarians an. Der 59-jährige Bauunternehmer will die Staatsausgaben drastisch kürzen und strebt ein ausgeglichenes Budget bis 2013 an. 2008 kam die Gruppierung lediglich auf 0,4 Prozent der Stimmen.