Honorarkonten mehrerer Anwälte geöffnet, heikle Daten nicht geschwärzt. | Oberlandesgericht gab bereits im Jänner der Beschwerde einer Bank recht. | Finanzaufsicht verfolgt Ermittlungen gegen Grawe-Chefs mit Argusaugen.
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Wien. Manchmal ist es eine Gratwanderung, wenn die Justizbehörden versuchen, Licht in das Dunkel komplexer Wirtschafts-Causen zu bringen. Die Ende 2010 durchgeführten Kontenöffnungen bei den einstigen Hypo-Investoren rund um den Vermögensverwalter Tilo Berlin zeigen, wie heikel der Balanceakt zwischen Aufklärungspflicht und gesetzlichen Regeln tatsächlich sein kann.
Wie berichtet, hat einer der von den Kontenöffnungen Betroffenen Amtshaftungsansprüche angemeldet. Das Oberlandesgericht (OLG) Graz hatte zuvor mehreren Beschwerden gegen die Ermittlungsmaßnahme stattgegeben: Es handle sich um die - verbotene - Einholung eines Erkundungsbeweises und um einen nicht verhältnismäßigen Erhebungsschritt, so die Begründung.
Was das Amtshaftungsverfahren betrifft, gibt es einige Vorwürfe, die hier eine Rolle spielen könnten. Der "Wiener Zeitung" liegen jene sieben Beschwerden gegen die Kontenöffnungen vor, über die das OLG Graz Anfang Juni entschieden hat - und darin sind gleich mehrere mögliche Ansatzpunkte enthalten.
Neben dem Vorwurf, dass Informationen über die Kontenöffnungen an Medien gelangt waren, bevor die Betroffenen offiziell informiert wurden, spielt hier vor allem auch das gesetzlich besonders geschützte Anwalt-Klienten-Verhältnis eine wichtige Rolle. Zwei der sieben oben genannten Beschwerdeführer sind Anwaltskanzleien die selbst nicht in die Hypo investiert hatten, bei denen aber Einschau in Honorarkonten genommen wurde.
Anwälte Berlins im Visier
Einer der Anwälte beschwert sich darüber, dass - über einen Zeitraum von einem halben Jahr hinweg - die eingegangenen Honorare samt Namen und Daten sämtlicher Mandanten offengelegt worden seien. Bei der zweiten Kanzlei wurden die Daten von fünf Quartalen ausgehoben - auch jene von Klienten, die mit der Hypo gar nichts zu tun hätten, so der Vorwurf. Insgesamt orten die Anwälte jedenfalls eine Umgehung des Entschlagungsrechts, das ihnen sonst als Zeugen in einem Strafprozess zukommen würde. Die beiden Kanzleien sind Rechtsvertreter Tilo Berlins, einiger seiner Firmen und mancher seiner Investoren. Da alle Konten, auf die von einer Luxemburger Firma Berlins Überweisungen getätigt wurden, ins Visier der Ermittler gerieten, wurden auch diese geöffnet. Wie berichtet, ging die deutsche Justiz dem Verdacht nach, es könnte - rund um den Kauf der Hypo-Mehrheit im Jahr 2007 - illegale Rückflüsse von einigen Investoren an die ehemalige BayernLB-Führung gegeben haben. Alle derartigen Vorwürfe wurden immer bestritten.
Geld von Grawe-Tochter
Heikel ist auch ein weiterer Vorwurf, den mehrere der betroffenen Hypo-Investoren erheben: So habe die Staatsanwaltschaft den Kontoinhabern eine Liste zugestellt, auf der auch Namen, Kontonummer und bestimmte Zahlungsflüsse anderer Betroffener erkennbar gewesen seien. Die Behörde hätte diese Daten schwärzen müssen, heißt es.
Übrigens hat bereits im Jänner das OLG Graz der Beschwerde einer involvierten Bank gegen die Kontenöffnungen recht gegeben: Damals ging es um drei Kontoinhaber mit - zum Teil - klingenden Namen.
Weniger prominent, aber umso wichtiger für das Zustandekommen des Berlin-Deals, ist die Firma eines Wiener Rechtsanwalts, die 15 Millionen Euro investierte. Für die "kurzfristige Zwischenfinanzierung" sorgte die Bank Burgenland - eine Tochter der damaligen Hypo-Miteigentümerin Grazer Wechselseitige, wie Grawe-Vorstand Siegfried Grigg bei der Staatsanwaltschaft aussagte. Die Finanzierung sei gegenüber der Finanzmarktaufsicht (FMA) offengelegt worden.
Die FMA verfolgt jedenfalls die Ermittlungen gegen Grigg und Grawe-Generaldirektor Othmar Ederer mit Argusaugen: Wie aus einem Amtshilfeersuchen von Anfang April, das der "Wiener Zeitung" vorliegt, hervorgeht, überprüft die FMA "das Vorliegen der Konzessionsvoraussetzungen" bezüglich Ederer und Grigg. Laut Gesetz wäre die Konzession zu versagen, falls Versicherungsvorstände nicht über die erforderliche "persönliche Zuverlässigkeit" verfügen.
Konkret bat die FMA die Staatsanwaltschaft um Mitteilung des Verfahrensstandes, die Übermittlung von Einvernahmeprotokollen und um rasche Benachrichtigung, falls es zu einer Anklage kommt. Ausgangspunkt für die Prüfung ist eine Vorzugsaktien-Emission der Hypo im Jahr 2006.
"Wir erstatten der FMA laufend Bericht", so Ederer zur "Wiener Zeitung". Gegen ihn gibt es bis dato keine Ermittlungen wegen der Vorzugsaktien, sondern lediglich wegen einer behaupteten Falschaussage vor dem Kärntner Hypo-U-Ausschuss - ein Vorwurf, der auf eher wackeligen Beinen stehen soll. Grigg war seinerzeit Vorstand der Hypo. Alle bestreiten jedes Fehlverhalten, es gilt die Unschuldsvermutung.