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Vranitzky: Auszeichnung von Haltegriffen, die fest verankert sind

Von Heike Hausensteiner

Politik

In den überfüllten Räumlichkeiten des ehemaligen Bundeskanzlers Bruno-Kreisky wurden in der Vorwoche fünf Auszeichnungen verliehen. Hauptpreisträgerin des Bruno-Kreisky-Preises ist Marion Gräfin | Dönhoff.


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"Eine Spielwiese für Intelektuelle" sei die Darstellung der Geschichte keineswegs. Es sei aber anstrengender geworden, das Geschichtsbewußtsein in der Gegenwart einzusetzen. Das sagte Ex-

Bundeskanzler Franz Vranitzky am Freitag abend anläßlich der Verleihung des "Bruno-Kreisky-Preises" an Marion Gräfin Dönhoff, der Mitherausgeberin der Hamburger "Zeit", für ihr publizistisches

Gesamtwert. Laudator Vranitzky, der ebenso Präsident des 1991 gegründeten Bruno-Kreisky-Forums ist, vermied "eine endlose Litanei der Beweihräucherung". Dennoch würdigte er Gräfin Dönhoff als "die

Fragende, die Kritische und die Antwort-Gebende", die in ihren Werken "fest verankerte Haltegriffe" biete. Ihre Analysen, Mängellisten und Appelle ("Zivilisiert den Kapitalismus!") gälten nicht nur

für Deutschland, sondern "mutatis mutandis", so Vranitzky, für die gesamte industrialisierte Welt. "Man wird nicht darum herumkommen, daß Geschichte · nicht die Geschichtsdarstellung · objektivierbar

ist." Die 90jährige Preisträgerin antwortete "es kommt auf jeden einzelnen an."

Die Bruno-Kreisky-Preise für das politische Buch werden seit 1993 durch das Karl Renner-Institut und das Bildungsreferat der SPÖ jährlich vergeben. Kreisky hätte am 22. Jänner seinen 88. Geburtstag

gefeiert.

Weiters ausgezeichnet wurden der deutsche Finanzminister und SPD-Chef Oskar Lafontaine (terminlich verhindert) gemeinsam mit seiner Ehefrau und wirtschaftspolitischen Beraterin Christa Müller für ihr

Buch "Keine Angst vor der Globalisierung · Wohlstand und Arbeit für alle" sowie Karl-Markus Gauss für den Titel "Ins unentdeckte Österreich". Anerkennungspreise erhielten Brigitte Bailer-Galander vom

Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖF) für "Wiedergutmachung kein Thema · Österreich und die Opfer des Nationalsozialismus" und der "Format"-Journalist Robert Misik für

"Die Suche nach dem Blair-Effekt".

Der Vorsitzende der SPÖ-Bildungsorganisation, EU-Abg. Hannes Swoboda hob die pragmatische Darstellung der Autoren hervor, wichtige politische Themen hätten sie "ohne dogmatischen Zugang"

aufgegriffen. "Wiedergutmachung" sei sehr wohl ein Thema, nicht nur in finanzieller, sondern vor allem in psychologischer und emotionaler Hinsicht, so Swoboda. "Es hat nur ein bißchen lang gedauert",

unterstrich in diesem Zusammenhang Bailer-Galander. Die Gründer der Republik Österreich seien keineswegs "hehre Antifaschisten" gewesen.

Die Volkswirtin Christa Müller forderte eine vernünftige Wirtschaftspolitik ein, um so mehr Wachstum in Europa und damit mehr Beschäftigung zu schaffen. Es gebe Möglichkeiten, die Risiken der

Globalisierung zu beschränken. "Politik ohne Sättigung der Gesellschaft" sei nicht möglich, meinte Robert Misik. "Mit heißer Feder und kritischer Spitze" habe er daher die Entwicklung der

Sozialdemokratie beschrieben. Den Preis für den erkrankten Karl-Markus Gauss nahm dessen Verleger entgegen. Gauss stiftet seinen Preis der "Initiative für Asylbewerber in Schubhaft" in Salzburg.