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In Computermodellen haben Forscher die Vorgänge dingfest gemacht.
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Berlin. Wenn auf der Erde das Klima rasch wärmer wird, brechen die Vulkane rund um den Pazifik viel häufiger als in den kühleren Epochen davor aus. Diesen verblüffenden Zusammenhang beschreiben Steffen Kutterolf vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (Geomar) in Kiel und seine Kollegen im Geomar und in der Harvard-Universität im US-amerikanischen Cambridge im Fachjournal "Geology".
In Computermodellen haben die Wissenschafter auch den dahinter steckenden Mechanismus dingfest gemacht: Klettern die Temperaturen, schmelzen die Eismassen und steigen die Meeresspiegel. Das aber stresst die Erde in der Nähe der Vulkane erheblich und vergrößert so das Risiko von Eruptionen.
Überblick im Meeresgrund
Erste Indizien für einen solchen Zusammenhang waren Kutterolf auf einer Forschungsfahrt im Pazifik weit vor der Küste Mittelamerikas aufgefallen. Dort hatten die Wissenschafter rund zehn Meter tief in den Meeresgrund gebohrt und dabei zwölf Ascheschichten gefunden. Sie waren zwischen einem und 15 Zentimeter dick nach Vulkanausbrüchen auf dem Festland ins Meer gerieselt. "In den ruhigen Gewässern weit vor der Küste lagert sich die Asche aus größeren Eruptionen gleichmäßig auf dem Ozeanboden ab, während die heftigen Niederschläge solche Aschelagen an Land relativ rasch wegschwemmen", erklärt der Forscher. Im Meeresgrund finden die Wissenschafter daher einen viel besseren Überblick über die Ascheregen und damit die Häufigkeit und Stärke von Vulkanausbrüchen längst vergangener Jahrtausende.
Als sie die geochemischen Zusammensetzungen der Ascheschichten mit den noch vorhandenen Ablagerungen verschiedener Ausbrüche an Land verglichen, bekamen sie heraus, welcher Vulkan Asche für die Schichten geliefert hatte. Im Rahmen des Kieler Sonderforschungsbereichs 574 bohrten Kutterolf und seine Kollegen weiter und fanden rund 200 Aschelagen, die aus 23 verschiedenen Vulkanausbrüchen stammten. Mit modernen naturwissenschaftlichen Methoden wie etwa der Kohlenstoff-14-Isotopen-Datierung ermittelten sie, wann diese Eruptionen stattfanden. Ein genauer Blick auf die Daten enthüllte eine Überraschung: Offensichtlich häuften sich die Vulkanausbrüche in bestimmten Zeiten, während in anderen Epochen die Erde viel seltener glühende Lava und heiße Asche spuckte.
"Danach sammelten wir bereits vorhandene Daten aus dem gesamten Feuerring rund um den Pazifik, also etwa von Vulkanausbrüchen in Alaska, auf den Aleuten, in Japan und in Neuseeland", schildert Kutterolf die nächste Phase der Forschung. Überall dort taucht die Erdplatte, die unter dem Pazifik liegt, unter die Landmassen der Umgebung ab. In der Tiefe wird enthaltenes Wasser frei und schmilzt dabei das Gestein zu zähflüssiger Magma. Diese quillt vermutlich durch Spalten im darüber liegenden Gestein nach oben und sammelt sich in größeren Kammern. Dort treten Gase aus und erhöhen den Druck, bis das zähflüssige Gestein sich in einer gewaltigen Explosion schlagartig den Weg an die Erdoberfläche bahnt. "Solche explosiven Eruptionen sind typisch für die Vulkane im pazifischen Feuerring und liefern uns die Ascheschichten, die wir analysieren können", so der Forscher.
Schmelzwasser erhöht Last
In allen Regionen bestätigte seine Kollegin Marion Jegen die ursprüngliche Beobachtung vor der mittelamerikanischen Küste: Immer wenn das Klima in der letzten Million Jahre von kalten Eiszeitbedingungen rasch in Richtung wärmere Epoche schwang, dauerte es etwa 4000 Jahre, bis rund doppelt so viele Vulkane als vorher Lava und Asche in die Atmosphäre schleuderten. Die Statistik zeigt der Geomar-Forscherin also, wie das Klima die vulkanischen Aktivitäten beeinflusst.
Nun liefen an der Harvard-Universität die Computermodelle an und fanden auch prompt eine Erklärung für das Phänomen: Steigen am Ende einer Kälteperiode die Temperaturen rasch, schmelzen innerhalb einiger 1000 Jahre die Gletscher auf den Landmassen in hohen nördlichen Breiten. Dadurch verringert sich die Last auf den Regionen, gleichzeitig lässt das Schmelzwasser den Meeresspiegel um rund 120 Meter steigen und vergrößert so das auf der Pazifikplatte lastende Gewicht erheblich.
Dadurch aber entstehen enorme Spannungen zwischen Land und Meer, bei denen sich vermutlich in den Vulkanregionen Spalten und Klüfte im Erdinneren vergrößern, durch die mehr zähflüssiges Gestein als vorher in die Magmakammern aufquillt. Die Folge sind häufigere Eruptionen.
Auf die Frage, ob der von der modernen Zivilisation ausgelöste Klimawandel ebenfalls häufigere Vulkanausbrüche verursachen könnte, zuckt Kutterolf die Schultern: "Heute gibt es viel weniger Eis als in der letzten Kälteperiode, das insgesamt den Meeresspiegel nur um gut die Hälfte der am Ende der letzten Eiszeit gemessenen 120 Meter ansteigen lassen könnte. Außerdem verstärkt sich die Eruptionstätigkeit erst mit rund 4000 Jahren Verspätung", erklärt der Forscher. Ob die dadurch ausgelösten geringeren Spannungen überhaupt für eine stärkere Vulkantätigkeit reichen, lässt sich derzeit kaum einschätzen.