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VW-Betriebsrat muss hinter Gitter

Von Sabine Ehrhardt

Wirtschaft

Fast drei Jahre Haft wegen Untreue. | Gebauer legt auch Berufung ein. | Braunschweig. (reuters) Der frühere Betriebsratschef von Volkswagen, Klaus Volkert, soll nach dem Willen des Landgerichts Braunschweig für zwei Jahre und neun Monate ins Gefängnis. Das Gericht verurteilte den 65-Jährigen am Freitag wegen Anstiftung und Beihilfe zur Untreue zu einer Haftstrafe - als bisher einzigen Beschuldigten in der VW-Korruptionsaffäre.


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Dem gelernten Schmied und später einst mächtig sten Betriebsrat in Deutschland wurden unzulässige Sonderzahlungen von fast zwei Millionen Euro und ein Schein-Arbeitsvertrag für seine Geliebte bei VW zur Last gelegt. Die Verteidiger kündigten Revision an. Damit ist das Urteil noch nicht rechtskräftig, Volkert bleibt zunächst in Freiheit.

Der langjährige Betriebsratschef des größten Autokonzerns Europas nahm das Urteil mit versteinerter Miene auf. Im Laufe der eineinhalb Stunden dauernden Urteilsbegründung sank er immer mehr in sich zusammen. Beim Verlassen des Gerichts meinte das langjährige SPD-Mitglied in die Mikrofone von Radio- und TV-Sender verbittert: "Es hat ja in Deutschland schon einmal eine Gerichtsbarkeit gegeben, wo Sozialdemokraten und Gewerkschafter ähnlich fair behandelt wurden."

Urteil wird angefochten

Volkerts Anwalt Johann Schwenn will das Urteil vor dem Bundesgerichtshof (BGH) anfechten. Nach Überzeugung des Gerichts hat Betriebsratschef Volkert zu Unrecht knapp zwei Millionen Euro Sonderzahlungen kassiert.

Das Landgericht wertete das als Beihilfe zur Untreue von Personalvorstand Peter Hartz. Dieser hatte die Verantwortung für die Sonderzahlungen übernommen. Dafür erhielt er eine zweijährige Bewährungsstrafe und musste gut eine halbe Million Euro Geldbuße zahlen. Volkerts Anwalt Schwenn sagte mit Blick darauf: "Ein krasser Fall von Zwei-Klassen-Justiz."

Der frühere VW-Personalmanager Klaus-Joachim Gebauer, eine weitere Schlüsselfigur der Affäre, kam am Freitag wegen Untreue mit einem Jahr auf Bewährung davon. Er hatte die Bordellbesuche auf Firmenkosten bei Betriebsratsreisen organisiert und über ein Sonder-Spesenkonto abgerechnet. Ihm hielt die Vorsitzende Richterin Gerstin Dreyer zugute, dass er auf Anweisung von Hartz gehandelt habe. "Ohne seine Angaben hätte es dieses Verfahren und die Aufklärung nicht gegeben." Sein Anwalt Wolfgang Kubicki hatte Freispruch in allen wesentlichen Punkten gefordert und kündigte ebenfalls Revision an.

Verdienste um die Firma "Der Angeklagte wusste, dass er die Zahlungen nur erhielt, weil er Betriebsratsvorsitzender war", begründete die Richterin ihr Urteil gegen Volkert. Seine Anwälte hatten argumentiert, ihr Mandant sei bei der Konzernsanierung sein Geld wert gewesen. Volkert verstand sich stets als Co-Manager. Die Verteidigung hatte sich auf die Aussagen der damaligen Konzernchefs Ferdinand Piech und Bernd Pischetsrieder gestützt, die Volkerts Verdienste vor Gericht gewürdigt hatten. Die Richterin betonte dagegen: "Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass Volkert ohne Zahlung anders agiert hätte." Dreyer warf Volkert auch vor, er habe mit Hartz einen Scheinvertrag für seine brasilianische Geliebte verabredet, der VW knapp 400.000 Euro kostete. "Hier war von vornherein klar, dass sie keine Leistung erbringen sollte, die dem Wohl des Unternehmens diente."

Von den Vorgängen um Lustreisen und Sonderboni will der heutige Aufsichtsratschef Piech nichts gewusst haben - was Zeugen bezweifelten. Allerdings fanden sich keine Belege für eine Mitwisserschaft, die Piech und Pischetsrieder als Zeugen vor Gericht entschieden bestritten.

Ein zweiter Teil der VW-Affäre bleibt ungeklärt. Seit mehr als einem Jahr stocken die Ermittlungen um ein Netz von Tarnfirmen gegen den Ex-Personalvorstand der VW-Tochter Skoda, Helmuth Schuster, der auch an den Bordellbesuchen beteiligt war. Er soll Schmiergelder von Zulieferern verlangt und versucht haben, VW-Gelder abzuzweigen. Eine Anklage ist offen.