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VW ist für 2003 pessimistisch

Von Hannes Boekhoff und Andreas Framke

Wirtschaft

Ein Jahr nach seiner Amtsübernahme wird es für VW-Chef Bernd Pischetsrieder richtig ernst. Die Autokrise legt hausgemachte Schwächen in der Modellpolitik des Konzerns bloß. Hinzu kommen ausgerechnet im einkalkulierten Jahr des Übergangs 2003 unabsehbare politische Risiken und ein starker Euro, die das Geschäft massiv erschweren.


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Pischetsrieder erklärte deshalb am Dienstag bei Vorlage der Bilanz 2002 in der Gläsernen Manufaktur in Dresden die jahrelange Rekordfahrt vorerst für beendet, schrieb das Jahr 2003 bereits nach wenigen Wochen ab und kündigte erst für 2004 die Wende an.

Mit seinem in dieser Deutlichkeit unerwartet pessimistischen Ausblick schockte der VW-Vorstandsvorsitzende die Finanzmärkte. Analysten sprachen von einer "Gewinnwarnung". Die Aktie sackte als Folge um zeitweise mehr als 12% auf rund 29 Euro ab und zog auch andere Autowerte mit nach unten. Der optimistische Blick auf 2004 kommt dagegen weniger überraschend. Das Jahr gilt als erstes, in dem sich die von Pischetsrieder angestoßenen Veränderungen - darunter die oft geforderte und längst überfällige Entzerrung der vielfach konkurrierenden Konzernmodelle - überhaupt erst bemerkbar machen können.

Vorerst sind bei VW aber Durchhalteparolen angesagt. So werde das Wolfsburger Unternehmen trotz eines geplanten Absatzes von mehr als 5 Mill. Autos das 2002 erzielte operative Ergebnis von 4,76 Mrd. Euro nicht erreichen können, sollte es bei der Euro-Stärke und gleichzeitiger Marktschwäche bleiben. Laut Pischetsrieder werde das operative Konzernergebnis schon im ersten Quartal deutlich unter dem des Vorjahres (1,13 Mrd. Euro) liegen. "Das ist für uns so wenig erfreulich wie für unsere Aktionäre. Allerdings glauben wir mit weiteren deutlichen Kostenreduzierungen und neuen Modellen dieses Bild im Jahr 2004 ins Gegenteil umkehren zu können." Als eine Konsequenz kündigte der VW-Chef Investitionskürzungen von mehr als 10% an, nachdem der Konzern 2002 insgesamt 16 Mrd. Euro investiert hatte. Außerdem werde der Sparkurs fortgesetzt. Nach Angaben des scheidenden Finanzvorstands Bruno Adelt hat der Konzern durch Kostensenkung 2002 bereits rund 1 Mrd. Euro gespart und will auch 2003 ähnlich stark auf die Kostenbremse treten. Doch schon im vergangenen Jahr hat vor allem der schwächelnde Dollar diesen Erfolg zur Hälfte aufgefressen: 500 Mill. Euro gingen durch ungünstige Wechselkurse verloren, weitere 600 Mill. Euro durch den Absatzverlust von 2,2%. Da passt es nur zu genau ins schlechte Bild, dass VW auch noch wegen der schwachen Börsenentwicklung vor allem im Bestand eigener Aktien Wertberichtigungen von 526 Mill. Euro vornehmen muss. Und schließlich schlagen auch die jüngsten Qualitätsprobleme der Wolfsburger unter anderem mit Motoren negativ zu Buche: Die Rückstellungen für Gewährleistung wurden um 13,2% auf 4,4 Mrd. Euro erhöht. Damit wird VW jetzt ein Teil der Rechnung für die schnelle Entwicklung neuer Modelle in der Ära Ferdinand Piech präsentiert.

Zu Pischetsrieders Wolfsburger Erbe zählt auch das erlahmende Interesse an den in die Jahre gekommenen Volumenmodellen Golf und Passat sowie die erst jetzt mit dem Touran geschlossene Lücke im Wachstumssegment Mini-Van. Dies kostete Europas größten Autohersteller auf den meisten Märkten teils empfindlich Absatz, der Weltmarktanteil fiel als Konsequenz von 12,4 auf 12,1%. Dem steuert das Unternehmen mit neuen Modellen entgegen. Doch die volle Marktwirkung wird zum Beispiel der neue Golf erst 2004 entfalten. Daher wird der 2002 bereits um 11,3% auf knapp 2,6 Mrd. Euro abgesackte Reingewinn in diesem Jahr wohl unerreichbar bleiben. Offen bleiben muss deshalb, ob erneut 1,30 Euro Dividende für die Stammaktie und 1,36 Euro für die Vorzugsaktie gezahlt werden können.