An diesem Freitag beginnt in Peking der 16. Nationalkongress der Kommunistischen Partei (PKCh). Das alle fünf Jahre stattfindende Großereignis erhält heuer besonderes Gewicht. Unter dem Motto "Generationenwechsel" werden in der Großen Halle des Volkes die Weichen für die künftige politische Führung des Landes gestellt. Zwar wird Staats- und Parteichef Jiang Zemin, wie schon Deng Xiaoping vor ihm, hinter den Kulissen weiter die Machtfäden ziehen, den Sitz des KP-Generalsekretärs wird er aber - so jedenfalls verlautete es - an seinen designierten Nachfolger, den um 15 Jahre jüngeren Hu Jintao abtreten. Im März wird der 60-Jährige auch das Präsidentenamt übernehmen.
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Mit dem prophezeiten Abgang der alten Parteiriege um den 76-jährigen Jiang soll nach Staatsgründer Mao Tse Tung und Wirtschaftsreformer Deng Xiaoping nun die vierte Generation der kommunistischen Ära auf den Plan treten. Noch ist nicht sicher, ob der Noch-KPCh-Generalsekretär nach 13 Jahren tatsächlich die Parteiführung und damit die Geschicke des Landes gänzlich aus der Hand gibt. Gemunkelt wird, dass er sich zum Parteipräsidenten küren lassen will, um seinen Einfluss zu sichern. Der Posten müsste allerdings neu erfunden werden - die Variante gilt als unwahrscheinlich, weil nicht mehrheitsfähig.
Bleibt noch die Möglichkeit, in der überaus einflussreichen wie mächtigen Zentralen Militärkommission den Vorsitz zu behalten und von dort aus die Geschicke der Partei mitzusteuern. Das scheint auch bereits ausgemachte Sache zu sein. Jiang bliebe zugleich Oberbefehlshaber der Volksarmee und hätte vor dem Hintergrund des weltweiten Anti-Terror-Krieges und des nordkoreanischen Atomwaffenprogramms eine stabilisierende Schlüsselfunktion inne. Vizepräsident Hu müsste sich mit dem Posten des Vizevorsitzenden begnügen. Sicher ist hingegen, dass er im März 2003 an die Staatsspitze aufrücken wird. Die chinesische Verfassung erlaubt nur zwei Amtsperioden zu je fünf Jahren, Jiang übernahm das Amt 1993.
Rundumerneuerung
Auf dem Parteitag sollen rund zwei Drittel der Miglieder des Zentralkomitees (ZK) und des Politbüros des ZK, soweit im Vorfeld des Parteitages an die Öffentlichkeit drang, im Rahmen der Verjüngungskur von den 2120 Delegierten neu gewählt werden (siehe nebenstehenden Kasten). Weitgehend neu besetzt wird auch das Gravitationszentrum der Parteienallmacht, der siebenköpfige Ständige Ausschuss des Politbüros. Mit Ausnahme des neuen starken Mannes Hu und des als künftigen Parlamentspräsidenten gehandelten Li Ruihuan - beide Männer, die schon vor 10 Jahren von Deng Xiaoping persönlich platziert wurden und daher unantastbar sind - sollen die Auguren, darunter Jiang, Ministerpräsident Zhu Rongji wie auch dessen Vorgänger, Parlamentspräsident Li Peng, in den Ruhestand geschickt werden. Hu, bisher Nummer Fünf im Gremium, rückt zur Nummer Eins in der Parteihierarchie auf - und damit auch zum neuen Generalsekretär, sollte es sich die Partei nicht doch noch anders überlegen.
Der Wunschkandidat des Noch-Staats- und Parteichefs war Hu nicht. Jiang hätte lieber den 63-jährigen Zeng Qinghong mit dem mächtigsten Posten betraut, zählt dieser doch seit Jiangs Ära als Bürgermeister und späterer KP-Chef von Shanghai (1985 bis 1992) zu seinem engstem Beraterstab. Nach langen Grabenkämpfen innerhalb der widerstreitenden Fraktionen im Politbüro hat Jiang nun aber offenbar durchgesetzt, dass sein in Erinnerung an kaiserliche Palastintrigen scherzhaft als "Chef-Eunuch" betitelter Zögling - bisher nur Leiter der Organisationsabteilung des ZK - zum künftigen Führungszirkel aufrücken darf: Der Ungeliebte wird zunächst das mächtige Parteisekretariat führen. Die Shanghai-Fraktion konnte damit einen beachtlichen Erfolg verbuchen. Wenn im März kommenden Jahres die neue Regierung ernannt wird, könnte Zang theoretisch sogar Regierungschef werden - nicht zuletzt dank des ausgeprägten Machtsinns und geschickten Taktierens seines Mentors. Gehandelt wird er allerdings eher als Nachfolger von Außenminister Qian Qichen.
Ebenfalls an den Schalthebeln der Macht bleiben nach dem Parteitag die liberalen Kräfte um den scheidenden Ministerpräsidenten Zhu Rongji: Vizeministerpräsident Wen Jiabao (60), dessen Wahl in den Ständigen Ausschuss des Politbüros bereits feststeht, wird Nummer Drei in der neuen Führungstroika. Er soll die Wirtschaftspolitik der Zhu-Fraktion fortsetzen, so dass hier keine Überraschungen zu erwarten sind. Die Gruppe der Mao-Nostalgiker, denen China zu kapitalistisch geworden ist und die eine Schubumkehr fordern, dürften auch diesmal von sämtlichen Schlüsselposten ferngehalten werden. Wenngleich sich ihre Vertreter auf Gemeindeebene (wo die Funktionäre gewählt werden) regen Zulaufs erfreuen.
Jiangs Vermächtnis
China setzt lieber auf die aufsteigende Klasse der Privatunternehmer statt auf Klassenkampf. Nach Jiangs "Theorie der Drei Vertretungen" - sie wird auf dem Parteitag zur Staatsdoktrin erhoben und gewährt dem Scheidenden einen ebenbürtigen Platz neben Mao und Deng - soll die neue Elite stärker in der Kommunistischen Partei vertreten sein. Weil die Doktrin in allen Bereichen der Arbeitswelt und der Staatsverwaltung Richtlinie des Handelns werden soll, könnten künftig Kapitalisten das ZK bevölkern.
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Die Gremien
Der Parteitag ist formell das oberste Führungsorgan der KPCh. Er wird von den Delegierten der Repräsentativgremien der Provinzen gewählt. Auf Vorschlag des Parteipräsidiums wählt er das Zentralkomitee (ZK), das als engerer Führungskreis gilt.
Das ZK hat zwischen 150 und 200 Vollmitglieder, dazu noch alternierende und nicht stimmberechtigte Mitglieder. Sie besetzen die führenden Positionen in Staat und Verwaltung. Im Rahmen seiner zwei Jahressitzungen hat es durchaus Entscheidungsbefugnisse.
Das Politbüro des ZK, das zwischen den Plenarsitzungen des ZK über alle Führungsvollmachten verfügt und auch die ZK-Sitzungen einberuft, hat schließlich die eigentliche Entscheidungsgewalt über die Richtlinien der Politik. Es zieht den Kreis der Führungselite nochmals enger auf nur noch aktuell 20 Mitglieder. Zu seinen Schwerpunkten zählt die nationale Sicherheit einschließlich der militärischen sowie die Außenpolitik. Über eine Kommission überwacht es darüber hinaus Polizei und Geheimdienste. Ein drittes Aufgabenfeld ist die Überwachung und Kontrolle der Partei selbst, die dem Generalsekretär und seinem Sekretariat unterliegt: eine Propagandaabteilung erledigt die politisch-ideologische Arbeit.
Der "Ständige Ausschuss" des Politbüros, bestehend aus dem Generalsekretär der KPCh und sechs weiteren Mitgliedern, ist das innerste "Machtzentrum" des Staates. Seine Mitglieder bekleiden in der Regel auch die wichtigsten Staatsämter. Zur Zeit besteht das Gremium aus Jiang Zemin, Zhu Rongji (Premier, Präsident der Volksbank), Hu Jintao (Vizepräsident, Parteichef in Tibet, Stv. Vorsitzender der Zentralen Militärkommission), Li Peng (Vorsitzender des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses), Wei Jianxing (Generalsekretär der Zentralen Kontrollkommission der KPCh), Li Lanqing (Handelsminister) und Li Ruihuan (Vorsitzender der Politischen Konsultativkonferenz).