Security und Safety in Südafrikas Metropolen. | Private Wachleute vor jedem Haus. | Die Innenstadt soll wieder sicher werden. | Johannesburg. "Sharp - Sharp!", beruhigt der junge Mann mit der wollenen gelben Mütze, streckt mit einem breiten Lächeln seinen Daumen in die Höhe und unterhält sich, den Schlagstock am Gürtel fest im Griff, mit einem Kollegen. An der Straßenecke Small und Pritchard Street ist weit und breit kein Polizist zu sehen, obwohl die Gegend mitten in Downtown Johannesburg als eine der unsichersten des Central Business District CBD gilt.
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Nach dem Ende der Apartheid war das Innenstadtzentrum von ansässigen Banken, Unternehmen und Minengesellschaften verlassen worden. Zu unsicher war den weißen Besitzern die politische Situation nach 1994. Sie gründeten in Sandton im Nordwesten der Stadt ein neues Geschäftsviertel nach ihren Vorstellungen, exklusiv für Weiße und wohlhabende Schwarze. Der Stadtteil CBD wurde sich selbst überlassen.
Das verlassene Stadtviertel
Rasch zogen zehntausende Flüchtlinge aus der Provinz und vor allem aus dem wirtschaftlich maroden Nachbarland Simbabwe in die leer stehenden verglasten Bürotower und jahrhundertealten Kolonialbauten ein. "Die Squatter aus dem Ausland sind das größte Problem", sagt Patrick Dlamini, "sie haben Drogen, Kriminalität und Prostitution in unser schillerndes Stadtzentrum gebracht." Patrick ist Besitzer von "Top Ten Security", einer der größten privaten Sicherheitsfirmen der Johannesburger Innenstadt. Statt der Polizei stehen hier an jeder Ecke die jungen Männer mit den gelben Uniformen und beschrifteten Mützen und sorgen für Sicherheit.
Nachdem die weiße Wirtschaftsklasse die Innenstadt verlassen hatte, sei sie auch von der Politik aufgegeben worden, meint Patrick mit einem verschmitzten Lächeln. Patrick sieht sich und seine Sicherheitsfirma als Pioniere: Er habe CBD nie aufgegeben und immer daran geglaubt, dass das Viertel ökonomisch wieder auf die Beine kommen wird. Ein sehr gut verdienender Pionier, was an Patricks 5er BMW Geländewagen und den unzähligen Goldketten und Ringen an seiner Hand offensichtlich wird.
Gerald Olitzki, Chef des Development-Unternehmens OPH, ist einer der besten Kunden von Top Ten Security. Olitzki erkannte in den heruntergekommen Straßen und Gebäuden von CBD eine zukünftige Goldgrube und kaufte ganze Straßenzeilen auf. Die illegalen "Untermieter" wurden auf die Straße gesetzt, die Gebäude renoviert, die Fassaden "afrikanisch" bunt angestrichen und vor jedes Haus ein Wachmann gestellt, auf dass keine unerwünschten Nachmieter nachziehen.
Der Ghandi Square ist das Vorzeigeobjekt von OPH. Der zentrale Ort, wo noch Anfang des Jahres 2005 Busse hielten und kleine Markt- und Essenstände chaotisch ihre Waren anboten, wurde nach diesem Muster neu gestaltet. Heute sind in den Geschäftszeilen rund um den Ghandi Square südafrikanische und internationale Franchise-Restaurantketten angesiedelt, und es ist vorgesehen, dass der Platz während der Fußball Weltmeisterschaft 2010 zum Mittelpunkt von Fifa-Events und Public Viewing wird. Ausgehend vom privaten Engagement hat auch die Stadt Johannesburg das Central Business District sicherheitspolitisch wiederentdeckt.
Innenstadt als "no go area"
Dass internationale Reiseführer die Innenstadt als unsicher oder gar als "no go area" für Touristen deklarierten, konnte nicht weiter hingenommen werden. 240 Videokameras wurden installiert und großzügige Zuschüsse und Erleichterungen für Unternehmen gewährt, die daraufhin samt Sicherheitspersonal und -konzepten zurück in die Stadt zogen. Die spärlichen offiziellen Kriminalitätsstatistiken zeigen zwar eine leichte Verbesserung in den letzten Jahren, doch sind die Mordrate und die Anzahl der gewalttätigen Überfälle weiterhin die höchsten in der Stadt. Videoüberwachung und private Sicherheitsdienste tun genug zum Schutz für privates und öffentliches Eigentum, leisten aber scheinbar zu wenig für den Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit. Offen bleibt, ob es bei der Sicherheitsdiskussion in CBD um den Schutz vor Kriminalität geht. Oder ob vielmehr Sicherheitsdienste und Polizei zur Abwehr ungewollter, ökonomischer schwacher Bevölkerungsschichten dienen. Denn jene zehntausende Menschen, die zumindest für eine gewisse Zeit - wenn auch zumeist illegal und ohne Mietvertrag - den Stadtteil CBD bewohnten, wurden und werden in Hinblick auf die Fifa-WM verstärkt auf die Straße gesetzt: Immigranten aus Simbabwe und Mozambique, Binnenflüchtlinge aus den Armenhäusern Südafrikas, dem Eastern Cape oder der North West Province und aus den angrenzenden, überquellenden Townships. Ihnen allen ist eines gemeinsam: Sie sind schwarz und arm.
Wer nicht ganz arm oder gar wohlhabend ist, braucht jedenfalls einen großen Schlüsselbund. "Rein und raus durch den Hintereingang, Schlüssel für Vorhängeschloss am hinteren Tor, Sicherheitsschlüssel für hintere Tür, Zylindersteckschlüssel, Autotür, Wegfahrsperre." Auf insgesamt 17 Schlüssel bringt es der Schriftsteller Ivan Vladislavic aus Johannesburg in seinem launigen Text "Porträt mit Schlüsseln".
Südafrika ist ein Land der Zäune und Drähte. Auf dem Land umrahmen sie die großen Viehherden oder hindern Löwe, Nashorn und Co an Streifzügen außerhalb der Safari Parks. Je näher man urbanen Ballungszentren kommt, desto höher wird die Dichte an Mauern und Schildern mit der Aufschrift "Armed Response" samt Konterfei eines Bewaffneten.
Unsicherer Alterswohnsitz
Mit hoher Mauer und elektrischem Stacheldraht gesichert ist auch das Haus von Thomas Fonzen. Der Informatik-Experte ist vor einem Jahr mit Frau und zwei Kindern von Deutschland in den Kapstädter Edel-Vorort Camps Bay gezogen - so wie viele Tausend Europäer in den letzten Jahren ihren (Alters-)Wohnsitz ans Kap der guten Hoffnung verlagert haben. Schließlich stimme das Preis-Leistungsverhältnis, der Value passt, sagt Fonzen. Und tatsächlich: Vom ersten Stock der Villa bietet sich ein traumhafter Blick aufs Meer, den weißen Strand und die Hummer- und Cocktailbars. Im Untergeschoß wohnen der schwarze Hausmeister Samuel und seine Familie - bis die Dienstbotenwohnung umgebaut ist - noch im Fitnessraum.
Anders als die vielen tausenden schwarzen Hausangestellten, Security-Beamten oder Bauarbeiter muss Samuel nicht die 30 Kilometer ins Township pendeln. Diese Distanz nach Langa, Crossroads, Khayelithsa und Mitchells Plain, zu den großen Siedlungen der Schwarzen und Coloureds weit vor den Toren "der schönsten Stadt der Welt", wie viele Kapstadt-Freunde sagen, lässt Villabesitzer Thomas Fonzen im Gefühl der Sicherheit vor Überfällen wiegen. "Ein Minibus-Ticket von den Townships hierher ist für die meisten Leute nicht leistbar, außer sie gehen einer geregelten Arbeit nach. Die Gefahr, dass wir hier von Schwarzen geplündert werden, besteht also nicht." Hier, im nahezu ausschließlich weißen Camps Bay scheint es, dass sich auch nach über 15 Jahren ANC-Regierungen am Schwarz-Weiß-Gefälle, sprich "Dienstknecht-Boss" nicht viel geändert hat.