China und Japan brauchen dringend Krisenkommunikationskanäle, um eine Eskalation schwelender Konflikte zu verhindern.
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Sogar unter den meisten chinesischen Teilnehmern bestand voriges Wochenende bei einer internationalen Expertenkonferenz in Shanghai Konsens darüber, dass die wachsende militärische Macht Chinas seine Nachbarstaaten in Beunruhigung versetzt und zu Spannungen bezüglich umstrittener Inseln und Seerechten führt, konkret mit Japan, den Philippinen und Vietnam. "Sie glauben, dass wir der Tyrann sind", sagte ein chinesischer Militärexperte zu mir: "Aber wir sehen uns als Opfer."
Alle im Saal stimmten jedoch überein, dass die Spannungen im Pazifik zunehmen - und dass China und seine Nachbarn keinen Ausweg finden. Das bringt die USA in eine Zwickmühle, da sie einerseits versuchen, traditionelle Verbündete wie Japan zu unterstützen, ohne sie andererseits darin zu bestärken, leichtsinnige Schritte zu setzen.
Es ist ein Zeichen der Zeit, dass die Delegierten offen über die Gefahr eines Kriegs im Pazifik sprachen. Das ist ein großer Unterschied zum Ton, der noch vor ein paar Jahren bei ähnlichen Treffen herrschte. Jetzt ist die Kollision im Ost- und Südchinesischen Meer nur allzu denkbar.
Vor zwei Wochen warnte US-Navy-Kommandant James Fanell bei einer Konferenz in San Diego, dass sich China auf einen "kurzen, harten Krieg" vorbereite, um die Vormacht über umstrittene Inseln wie Senkaku zu erlangen. US-Verteidigungsminister Chuck Hagel erklärte am Montag in Washington, dass das Pentagon "fortfahren wird, seinen Operationsfokus und seine Streitkräfte in den asiatisch-pazifischen Raum zu verlegen". Und Hagel meinte auch: "Durchsichtiger könnten die Absichten Chinas nicht sein." Pekings Gerede vom "Schutz der Seerechte" sei tatsächlich "ein chinesischer Euphemismus für die erzwungene Inbesitznahme der Küstenrechte von Chinas Nachbarn", so der US-Verteidigungsminister.
Die Diskussionen beim Treffen in Shanghai, die überraschend offen waren, lösten - zumindest für mich - die Hoffnungen auf, China werde sich weiterhin den USA fügen. Stattdessen wird deutlich, dass eine Ära größerer chinesischer Ansprüche begonnen hat, insbesondere was die Seerechte betrifft.
Die USA sind vertraglich verpflichtet, Japans administrative Kontrolle der Senkaku-Inseln zu verteidigen. Das US-Militär hat Pläne, dort jeden "kurzen, harten Krieg" Chinas zu vereiteln. Die USA wollen aber nicht in einen Krieg um ein paar Felsenklippen hineingezogen werden, also drängen sie die Regierung Tokio zur Vorsicht. Da jedoch keine diplomatische Lösung in Sicht ist, brauchen Peking und Tokio Krisenkommunikationskanäle, damit nicht der Vergleich des japanischen Premiers Shinzo Abe mit den Vorboten des Ersten Weltkriegs wahr wird.
Wenn chinesische Regierungsvertreter an internationalen Konferenzen wie dieser in Shanghai teilnehmen, sprechen sie oft über eine "Win-win-Kooperation". Das ist ein beruhigendes Konzept, das zur Fahrstuhlmusik internationaler Treffen wurde. Sieht man sich aber die Pazifikregion an, ist es schwer, das Wirken eines solchen Kompromissgeistes zu erkennen.
Übersetzung: Redaktion