"World Development Report 2013" fordert bessere Jobs und höhere Löhne.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. "Nimm dir ein Jahr Auszeit vom Tagesgeschäft", forderte die Weltbank ihren Ökonomen Martin Rama auf. Nur so könne er einen distanzierten Blick gewinnen. "Wir wollen keinen Report, wo drinnen steht, dass alles, was die Weltbank macht, ohnedies super ist." Das Ergebnis, der "World Development Report 2013" mit dem Schwerpunkt Jobs, der am Dienstag in Wien präsentiert worden ist, hat sich auch gewaschen. Es ist eine Abkehr vom Mantra, dass mit dem wirtschaftlichen Wachstum auch die Jobs und damit die Entwicklung kommen. "Die konventionelle Weisheit ist, sich auf Wachstum zu konzentrieren, da es als Voraussetzung für die Verbesserung von Lebensstandards und dem sozialen Zusammenhalt gilt", heißt es in dem Report. Eine Annahme, die sich aus den Daten nicht belegen lässt. "Wachstum bedeutet nicht automatisch weniger Armut. Und selbst wenn die Armut reduziert wird, bedeutet das nicht, dass der soziale Zusammenhalt sich verbessert, da es Menschen geben kann, die davon ausgeschlossen sind", meint der aus Uruguay stammende Ökonom und Autor des Reports. Das Gefühl des Ausgeschlossen-Seins sei schließlich Dreh- und Angelpunkt der arabischen Revolution gewesen.
Jobs bringen Entwicklung
Statt sich auf Wachstum für Entwicklung zu fokussieren, schlägt der "World Development Report" vor, sich auf Jobs zu konzentrieren. "Jobs bringen Entwicklung. Sie dürfen nicht als Nebenprodukt von Entwicklung gesehen werden", meint Rama.
Jobs sind aber nicht gleich Jobs. In vielen Entwicklungsländern ist die Beschäftigungsquote zwar hoch, weil viele im Agrarsektor arbeiten oder ein eigenes Ein-Personen-Unternehmen führen, manchmal sogar beides, doch das bedeutet nicht, dass sich ihr Lebensstandard verbessert. Die Daten zeigen, dass nicht die Tatsache, einen Job zu haben, dabei hilft, der Armut zu entkommen. Man müsse von den Erträgen seiner Arbeit auch leben können, nur durch Lohnerhöhungen könne man dem Elend entfliehen.
Welche Jobs gut für die Entwicklung sind, sei wiederum abhängig, welche Probleme das jeweilige Land habe. Der Report nennt auch Positivbeispiele: Das Agrarland Vietnam habe mittels Produktivitätssteigerung die Armut reduziert. Ruanda hat durch die Schaffung von Jobs für Ex-Soldaten den sozialen Zusammenhalt in dem einst von Bürgerkrieg zerrissenen Land gefestigt. Slowenien konnte das Problem der Jugendarbeitslosigkeit dadurch lösen, dass es zu einem Konsens zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände gekommen ist und Löhne je nach volkswirtschaftlichen Trends verändert worden sind.
Auch informelle Jobs können der Entwicklung helfen, doch jeder Job muss, betont der Report erstmalig, mit den Menschenrechten vereinbar sein. Jobs, die die Sicherheit gefährden, seien inakzeptabel, meint Rama und erwähnt die hunderten Todesopfer, die ein Brand in einer Kleiderfabrik in Bangladesch vor weniger als einem Monat gefordert hatte.
Die Ökonomin Hermine Vidovic vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche betont, dass Produktivitätssteigerungen (mit einem höheren Wirtschaftswachstum) vor allem in den zehn neuen EU-Mitgliedsstaaten und den Ländern Südosteuropas eher zu einem Arbeitsplatz-Abbau geführt haben. Alleine um das derzeitige Job-Niveau zu halten, müsse die Wirtschaft dieser Länder mehr wachsen als jene der westlichen Industrieländer. "Ohne Wachstum kann man keine zusätzliche Beschäftigung schaffen", meint Vidovic.