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"Wachstum an sich keine Qualität"

Von Stefan Janny

Reflexionen
Mit dem Schlagwort "Ökologisierung" wird dem erfahrenen Manager Rudolf Tucek zufolge - der war auch Chef des Verkehrsbüros - Schindluder betrieben. Foto: Pessenlehner

Banken forcieren in Wien Bau von 5-Sterne-Hotels. | Zimmer-Preise im obersten Segment werden fallen. | Tucek will für möglichen Börsegang gerüstet sein. | "Wiener Zeitung": Welches ist Ihr absolutes Lieblingshotel? | Rudolf Tucek: Ich habe keines.


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Weil es keines gibt, das Ihren Ansprüchen genügt?

Nein, sondern weil es viele gute und auch schöne Hotels gibt und es immer auf das Motiv des Aufenthaltes ankommt. Mich begeistert ein original japanisches Riokan genauso das Sanderson in London oder unsere Cube Hotels, die eine tolle Gesamtkomposition haben.

Aber Ihre Cube Hotels sind doch eher für Jugendliche konzipiert und für erwachsene Menschen nicht mehr wirklich ideal geeignet.

Das stimmt überhaupt nicht. Das sind die optimalen Hotels für sportliche Menschen. Die ursprüngliche Idee, es für Jugendliche zu konzipieren, ist am Nassfeld in Kärnten sehr konsequent umgesetzt, aber in Biberwier-Lermoos sind beispielsweise zwei Drittel unserer Gäste Erwachsene und ein Drittel ist über 40 Jahre alt. Es ist ein ganz tolles Familienhotel.

Ist der Umstand, dass zu Ostern in Österreich eine ganze Menge Hotelzimmer leer geblieben sind, ein Indiz dafür, dass die Wirtschaftskrise deutlicher auf den Tourismus durchzuschlagen beginnt?

Das hat mit der Wirtschaftskrise, glaube ich, zunächst einmal gar nichts zu tun. Das nicht. Es ist vielmehr ein Indiz dafür, dass sich viele Menschen nicht mehr auf Hochsaisontermine festnageln lassen, und es ist weiters ein Indiz dafür, dass der Wettbewerb, vor allem der Wettbewerb internationalen Destinationen, intensiver geworden ist. Ostern ist ja eine Jahreszeit, in der man durchaus schon in wärmeren Ländern Urlaub machen kann.

Bedeutet das, dass die Wintersaison hierzulande kürzer wird, weil wegen des Klimawandels im Frühjahr tendenziell weniger Schnee zur Verfügung steht und die Menschen wegen der unsicheren Schneeaussichten dann lieber gleich in sonnige Gefilde reisen?

Der Wintertourismus, wie wir ihn kennen, wird durch den Klimawandel auf absehbare Zeit nicht wirklich beeinflusst werden. Wie ihnen jeder seriöse Klimaforscher bestätigen wird, werden wir das nicht mehr erleben. Für einen überschaubaren Zeitraum von zehn bis 15 Jahren lassen sich solche Klimaszenarien überhaupt nicht vorhersagen. Da gibt es viel Panik- und Geschäftemacherei, mit denen sich alle möglichen Steuern wunderbar rechtfertigen lassen. Mit dem Schlagwort "Ökologisierung des Steuersystems" wird so viel Schindluder betrieben, dass ich es schon nicht mehr hören kann.

Die Forderung, Energie höher zu besteuern, findet also nicht unbedingt Ihre begeisterte Zustimmung?

Ich bin nicht dagegen, stärkeres Bewusstsein für einen sinnvollen Umgang mit Energie zu wecken. Ich wehre mich bloß dagegen, dass man falsche Argumente vorschiebt.

Sie meinen, das tatsächliche Motiv ist das deutlich gestiegene Budgetdefizit?

Genau. Das Ganze ist eine Geldbeschaffungsaktion. Dem ein pseudo-moralisches Mascherl zu geben, ist mir unsympathisch.

Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit sind aber längst auch im Tourismusmarketing zu einem wichtigen Thema geworden.

Ich bin nicht gegen Nachhaltigkeit. Ich bin nur gegen die Art, wie dieses Thema mit teilweise unbewiesenen Thesen und mit der Moralkeule zum Geschäft gemacht wird. Mir hat noch niemand definieren können, was Nachhaltigkeit im Tourismus bedeutet und unter welchen Zeithorizonten wir uns das vorzustellen haben.

In der Regel versteht man darunter das Bestreben, den ökologischen Fußabdruck eines Tourismusbetriebs möglichst klein zu halten.

Ich kenne diesbezüglich aber keine objektiven Messlatten und keine seriösen Instanzen, die das beurteilen.

Hat die Krise das Kundenverhalten nachhaltig verändert?

Eine Krise bringt immer eine Marktkorrektur in eine an sich schon vorgezeichnete Richtung. Die Nachfrage ist generell gesunken, steigt derzeit aber wieder, aber mit geänderten Kundenverhalten. Das betrifft besonders die Fünf-Stern-Hotels. Die Gäste setzen immer stärker auf Kalkulierbarkeit - früher hat man das All-inclusive genannt. Die Tendenz, dass die Leistungen immer stärker abgespeckt wurden, bekommt jetzt einen Schub in die andere Richtung, weil die Kunden im Urlaub nicht nur schlafen gehen, sondern wissen wollen, wie das Gesamtpaket aussieht. Diejenigen, die das liefern, sind wieder vorne mit dabei.

Heißt das, dass in der Hotellerie in den Jahren vor der Krise zu viel sinnloser Luxus angeboten wurde?

Das wäre zu hart formuliert. Wenn der Luxus gekauft wurde, war er ja nicht sinnlos. Ich glaube aber, dass man sich generell mit rascherem Wandel auseinandersetzen muss. Der Lebenszyklus von Angeboten und Konzepte, die früher 30 Jahre gehalten haben, dauert heute nur mehr drei oder fünf Jahre. Daran hat man sich in der Branche noch nicht gewöhnt. Man wird aber möglicherweise Modelle erfinden müssen, die Nutzungsanpassungen einfacher machen. Wenn bestimmte Hotels nicht mehr nachgefragt werden, warum können die Gebäude in Zukunft nicht anderen sinnvollen Nutzungen zugeführt werden?

Was wären solche Nutzungen? Ehemalige Hotels als etwas komfortablere Strafanstalten?

Ich weiß nicht, ob es unbedingt Strafanstalten sein müssen, will aber selbst solche Gedanken nicht vom Tisch wischen. Aber realistischer wäre es beispielsweise, ein nicht mehr profitables Hotel in ein Personalwohnhaus für ein Unternehmen umwandeln. Und man könnte schon beim Bau oder Umbau von Hotels andere Nachnutzungsmöglichkeiten einplanen, um allfällige Marktbereinigungen zu erleichtern.

In Wien geschieht derzeit allerdings eher das Gegenteil einer Marktbereinigung. In nächster Zeit wird eine ganze Reihe neuer Luxushotels eröffnet. Verträgt der Wiener Markt diese Zunahme an Bettenkapazität im gehobenen Segment?

Ich glaube nicht, dass alle diese Fünf- und gehobenen Vier-Stern-Betriebe am Ende des Tages Geld verdienen werden. Getrieben wird dieser Trend im Moment von den Immobilienentwicklern und von den finanzierenden Banken. Auch weil das zum Teil ja ehemalige Bankgebäude sind, die man nun eben irgendwie nutzen muss und Büros derzeit nicht der große Renner sind. Und bei einem Fünf-Stern-Hotel lassen sich teure Umbauten und hohe Grundstückspreise noch am ehesten rechtfertigen. Ich bin aber überzeugt, dass da viele Renditeversprechen letztlich nicht zu halten sein werden. Umso mehr vor dem Hintergrund sich verschlechternder Rahmenbedingungen.

Sie gehen von einer schwächeren Wirtschaft aus?

Es gibt auch noch andere Faktoren. Die AUA wurde an die Lufthansa verkauft, und als Folge werden jede Menge Flüge gestrichen. Das macht Wien als Destination nicht gerade attraktiver. Auch was sich derzeit am Wiener Flughafen abspielt, tut der Destination nicht gut. All das wird nicht dazu führen, dass eine Menge zusätzlicher Luxusgäste nach Wien kommen, um in irgendwelchen umgebauten Ringstraßen-Palais abzusteigen.

Sie nehmen also an, dass die Preise für Fünf-Stern-Hotelzimmer in Wien sinken werden?

Davon können Sie ausgehen.

Wie viele Hotels beziehungsweise Betten werden Sie in zehn Jahren führen?

Die Wahrheit ist, ich weiß es nicht.

Das ist ehrlich, aber nicht sehr informativ.

So ist es aber. Hätte ich vor vier Jahren prognostiziert, wo wir heute stehen, wäre mir wahrscheinlich die Hälfte aller Leute schreiend davongelaufen, weil sie gemeint hätten, ich bin völlig verrückt geworden. Jedes Jahr um sieben, acht Hotels in verschiedenen Ländern zu wachsen, wäre als Ansage zu großkopfig gewesen. Das hätte keiner geglaubt. Mein Standpunkt ist der: Wenn man sich den Radius nicht zu eng setzt und die vielen Gelegenheiten nutzt, die sich - ob Krise oder nicht - bieten, dann sehe ich überhaupt keine Limitationen. Es werden sich auch Gelegenheiten ergeben, andere Unternehmen zu übernehmen, kleinere, mittlere, was auch immer. Schauen wir einmal.

Durch Akquisitionen zu wachsen, ist eine strategische Option?

Wenn es sinnvoll ist, durchaus - gerade in schwierigeren Zeiten. Aber Wachstum an sich ist keine Qualität, wenn nicht auch die Unternehmenssubstanz und die Ergebnisse wachsen. Man kann sich mit allzu forschem Wachstum auch übernehmen, wenn vor lauter Größenwahn der Hausverstand aussetzt.

Aber einfach war das Jahr 2009 wohl trotzdem nicht?

Ganz sicher nicht. Aber wir hatten ein Umsatz- und auch ein Nächtigungswachstum.

Wachstumsunternehmen haben in der Regel Kapitalbedarf. Wie wollen Sie diesen decken?

Im Gesellschafterkreis diskutieren wir das sehr intensiv, und wir bereiten uns als Unternehmen auf einen Börsegang vor. Wenn die Kapitalmärkte in den nächsten zwei, drei Jahren ein Fenster öffnen, ist das eine mögliche Option. Wir sind bestrebt, dass wir mit unseren internen Strukturen darauf vorbereitet sind, wenn es irgendwann schnell gehen soll.

Zur PersonRudolf Tucek wurde 1958 in Wien geboren und maturierte an einer Handelsakademie. Seine berufliche Karriere begann er 1981 als Assistent der Buchhaltungsabteilung des Österreichischen Verkehrsbüros. In diesem Unternehmen durchlief er in der Folge zahlreiche Stationen, wurde mit Geschäftsführerfunktionen in mehreren Tochtergesellschaften betraut und 1997 in den Vorstand berufen. Von 2000 bis 2003 fungierte er als Vorstandsvorsitzender des Unternehmens. Noch während seiner Tätigkeit für das Verkehrsbüro gründete Tucek die Hotelkette Cube, und im Jahr 2004 übernahm er den Vorstandsvorsitz der Vienna International Hotelmanagement AG, an der er eine maßgebliche Beteiligung hält. Das Unternehmen verfügt über Managementverträge für 40 Hotels in 10 Ländern und strebt im laufenden Jahr mit 2850 Mitarbeitern einen Umsatz von etwa 180 Millionen Euro an.