Zum Hauptinhalt springen

Wachstum der Gasnachfrage: Europa braucht jede Pipeline, die es kriegen kann

Von Helmut Dité und Konstanze Walther

Analysen

"Erdgas ist der Überbrückungstreibstoff bis zur Zukunft der Erneuerbaren Energien", postuliert Christian Dolezal von der Nabucco-GmbH am "Vienna Economic Forum". Denn Gaskraftwerke sind umweltfreundlicher als Kohle oder Öl und weniger umstritten als Atomenergie. Deshalb schießen allenthalben neue Gaskraftwerke wie Schwammerl aus dem Boden. Im steirischen Mellach eröffnet der Verbund etwa ein Kraftwerk, das den österreichischen Gasbedarf um bis zu 1,5 Milliarden Kubikmeter erhöhen wird.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Und der russische Anteil an den Gaslieferungen wird weiter steigen - weil die Eigenförderung in Westeuropa, vor allem in der Nordsee und in Norwegen, kontinuierlich sinkt, während der Bedarf größer wird. Bis 2030 wird der Gasverbrauch in den EU-27 laut einer Einschätzung der Internationalen Energieagentur auf bis zu 680 Milliarden Kubikmeter (derzeit: rund 500 Milliarden Kubikmeter) klettern. Die europäische Eigenproduktion werde dagegen von knapp 200 auf 100 Milliarden Kubikmeter fallen. Woher soll nun das Gas kommen, das die Differenz von fast 600 Milliarden Kubikmetern stopft?

2008 kam ein gutes Viertel des in den EU-27 benötigten Gases aus Russland, in Österreich war der Anteil sogar mehr als doppelt so hoch - über 53 Prozent. Das in die EU importierte Gas fließt zu drei Viertel durch ukrainische Pipelines. Ein Land, dessen Beziehungen zu Russland legendär wacklig sind. Mit ein Grund, warum nicht nur die EU die Quellen und Transportrouten diversifizieren will.

Russland macht Druck

Auch Russland will sein eigenes Gas - und die zunehmend bei den ehemaligen Sowjetrepubliken an der Kaspischen See zugekauften Mengen - über alternative Routen in den Westen bringen. Und forciert daher Pipelineprojekte durch die Ostsee nach Deutschland (Nordstream) sowie durch die Türkei und Südosteuropa (Southstream).

Von Slowenien aus - mit dem der russische Gasmonopolist Gazprom am kommenden Samstag ebenfalls den Southstream-Vertrag unterzeichnen will - wäre es nicht mehr weit nach Österreich, lockt Gazprom mit Blick auf die langjährigen privilegierten Beziehungen zu Wien, die nicht zuletzt zum Aufbau einer gemeinsamen Gashandelsbörse am niederösterreichischen Gasknotenpunkt Baumgarten geführt haben.

Schlechte Chancen also für die Nabucco-Pipeline, die federführend von der österreichischen OMV vorangetrieben wird? Das von der EU zur obersten Priorität erklärte 3300 Kilometer lange und fast acht Milliarden Euro teure Projekt soll die Gasquellen des Kaspischen Raums und des Mittleren Ostens für Europa anzapfen. Eine Region, wo Russland inzwischen eifrig seinerseits Gas aufkauft. Und: Iranisches Gas bleibt Nabucco aufgrund des Vetos der USA wohl noch länger verwehrt.

Die Nabucco-Planer sehen das Zapf-Problem gelassen. "Die Pipeline wird in fünf bis zehn Jahren fertig sein. Dann werden wir sehen, wie die politischen Gegebenheiten zu diesem Zeitpunkt sind", erklärt Nabucco-GmbH-Sprecher Dolezal - und betont einmal mehr, dass Nabucco, anders als andere Pipelines, mehrere Zapfhähne und genauso mehrere Abnahmestationen haben wird ("Multi Entry-Exit"). Zumindest eine der Quellen dürfte wohl bei Fertigstellung der Pipeline in russischer Hand sein.

Es geht inzwischen beim Bau von Nabucco gar nicht mehr so sehr um eine Unabhängigkeit von Russland. Sondern der zentrale Gesichtspunkt ist angesichts der trotz allem bis 2030 steigenden Nachfrage, dass Europa jede Pipeline braucht, die es bekommen kann.

Nabucco, die im Endausbau gut 30 Milliarden Kubikmeter liefern kann, wird definitiv gebraucht. Und alle "Konkurrenz"-Pipelines ebenso.

Siehe auch:Nabucco kein Konkurrenzprojekt