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Investitionen gefordert - Deregulierung von Märkten ist umstritten.
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Brüssel. Das nächste Treffen der EU-Regierungschefs soll nun erst im Juni stattfinden, eine vergleichsweise lange Pause nach dem Gipfel-Stakkato der vergangenen zwei Jahre. "Versprechen kann ich es allerdings nicht", meinte Bundeskanzler Werner Faymann in Hinblick auf die Unsicherheiten in der Eurozone. Und von denen gibt es auch nach diesem Gipfeltreffen noch genug. Zwar wurde das zweite Griechenland-Paket endgültig auf die Reise geschickt und damit die Pleite des Landes verhindert. Einige Fragezeichen aber bleiben: In trockenen Tüchern ist die Griechenland-Rettung erst, wenn nächsten Freitag mehr als 66 Prozent der Privatgläubiger zugestimmt haben. Und selbst wenn dem so ist, bleibt noch die griechische Politik als Risikofaktor: Erst in letzter Minute konnte die EU verhindern, dass im griechischen Parlament ein Gesetz durchgewunken wurde, das Mindestlöhne und Arbeitslosenunterstützung entkoppelt hätte. Das Arbeitslosengeld für Saisonarbeiter wäre erhöht worden, was die Mindestlohn-Absenkung konterkariert hätte. "Es gibt immer noch eine ungeheure Klientelpolitik in Griechenland, die Unzuverlässigkeit ausstrahlt", meinte einer der Verhandler in Brüssel höflich.
Und in der deutschen Delegation wird es - freilich sehr inoffiziell - immer noch für denkbar gehalten, dass das politische Parteien-System implodieren und die Armee in das Machtvakuum stoßen könnte. Das würde alles auf den Kopf stellen. Und diese theoretische Bedrohung hat wohl auch mitgeholfen, dass sich Deutschland beim Rettungsschirm ESM plötzlich doch noch bewegt hat: Er wird nun schneller als geplant mit Geld befüllt, um Griechenland schon in diesem Frühjahr helfen zu können.
Und selbst wenn dies alles gut funktioniert, bleibt die ungelöste Frage der hohen Arbeitslosigkeit: Mehr 24 Millionen Arbeitslose in den 27 EU-Ländern, davon sind 5,5 Millionen unter 25 Jahre alt. In neun Ländern liegt die Jugendarbeitslosigkeit über 20 Prozent, in weiteren vier Staaten über 30 Prozent. "Wir müssen Jobs schaffen", sagte der britische Premierminister David Cameron nach dem EU-Gipfel. "Wir brauchen Wachstum und eine stärkere Investitionstätigkeit", sagte auch Österreichs Kanzler Faymann.
Ziel ist klar, Weg ist offen
Wie so oft in der EU ist das Ziel zwar definiert, aber welcher Weg dorthin eingeschlagen werden soll, darüber gibt es erhebliche Auffassungsunterschiede. "Ich war frustriert, weil unsere Vorschläge nach einer stärkeren Deregulierung bei Dienstleistungen und Berufsbeschränkungen zuerst negiert wurden", sagte Cameron. "Aber jetzt sind viele Punkte im Gipfelbeschluss drinnen. Wenn es kein Geld gibt, müssen wir die Märkte öffnen, um Wachstum zu schaffen. Heute wurde das Vereinigte Königreich gehört."
Bei Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hörte sich das schon wieder anders an. In Richtung China und Indien sagte er: "Wenn asiatische Länder ihre Märkte für europäische Unternehmen nicht weiter öffnen, sehe ich nicht, warum wir das einseitig tun sollen." Sarkozy ist - wie Faymann - für eine Finanztransaktionssteuer, um damit stimulierende Mittel freizuschaufeln.
Eine wirtschaftsliberale Gruppe von zwölf Regierungschefs setzt auf freien Handel, auch beim EU-Binnenmarkt. Sarkozy und Merkel, aber auch die sozialdemokratischen Regierungschefs stehen dem eher skeptisch gegenüber. Sie fürchten ein weiteres Lohndumping in Europa statt einer Stärkung der Industrie und der eher robusten mittelständischen Wirtschaft.
Faymann wird am Montag EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso in Wien begrüßen. Und er setzt auf die normative Kraft des Faktischen: "Wir werden am Vormittag in eine überbetriebliche Lehrwerkstätte fahren, um ihm zu zeigen, dass wir in Österreich keinen Jugendlichen alleine lassen." Fazit von Beobachtern in Brüssel: Die Regierungschefs haben sich getroffen, weil der in den Umfragen hinter seinem Herausforderer François Hollande liegende Sarkozy im Wahlkampf eine europäische Bühne benötigte.
Wird es mit dem Fiskalpakt gelingen, die Krise zu meistern? Lächeln war die häufigste Antwort auf diese Frage... Die Einzigen, die sich nach dem EU-Gipfel wirklich freuten, waren die Serben, die nun Beitrittskandidat sind.