Die Wirtschaft ist im ersten Quartal um 9,5 Prozent gewachsen. Die Aussichten sind aber düster.
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Die heimische Wirtschaftleistung ist in den ersten drei Monaten dieses Jahres um 9,5 Prozent gewachsen. Das teilte die Statistik Austria am Donnerstag mit. Das ist um 1,5 Prozent mehr als das Vorjahresquartal und um 0,5 Prozent über dem Vorkrisenniveau. Dass die Wirtschaft so stark zugelegt hat, überrascht. Die Omikron-Welle, die andauernden Lieferengpässe, die hohen Energiekosten und der Ausbruch des Ukraine-Kriegs haben das Wirtschaftswachstum zumindest zu Jahresbeginn nicht eingetrübt.
"Das zeigt, dass es mit Österreichs Wirtschaft weiter deutlich vorangeht", sagte der Generaldirektor der Statistik Austria, Tobias Thomas, am Donnerstag vor Journalisten. Ob es in diesem Jahr wirtschaftlich so gut weitergeht, ist aber mehr als fraglich. Denn Russlands Krieg in der Ukraine und der Energiepreisschock trüben die Aussichten.
Industrie sehr stark
Besonders gut lief das erste Quartal des Jahres für die Industrie, den Bau und den Handel. Diese Branchen kämpfen seit Pandemiebeginn mit Lieferkettenproblemen, Rohstoffmangel und mit steigenden Energiepreisen. Dennoch sind die Auftragsbücher derzeit voll. "Den Industriebetrieben geht es noch außerordentlich gut", meint der Chefökonom der Arbeiterkammer, Markus Marterbauer, zur "Wiener Zeitung". Die höheren Kosten scheinen wohl "in den Preisen untergebracht" worden zu sein.
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Und auch der Bauboom der letzten Jahre und der Anstieg der Immobilienpreise setzten sich zu Jahresbeginn fort. Wer sich noch nicht zur Gänze von der Pandemie erholt hat, ist der Tourismus. Hier lag die Auslastung nur bei zwei Dritteln des Vorkrisenniveaus. Vor allem der Wintertourismus ist in der Pandemie und während der Lockdowns stark eingebrochen. Für die Sommersaison wird aber trotz Inflation und Unsicherheiten rund um Russlands Angriffskrieg in der Ukraine mit einer weiteren Erholung gerechnet.
"Man kann sehen, dass fast alle Wirtschaftsbereiche im ersten Quartal zur Erholung beigetragen haben", erklärt die Ökonomin Sandra Bilek-Steindl vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) zur "Wiener Zeitung". Vor allem im Jänner und Februar sei die Industrie sehr stark gewesen, ab März, rund um Kriegsbeginn, und im April sei die Lage schon "etwas gedämpfter" gewesen, meint sie. "Umfragen zeigen derzeit große Unsicherheiten bei den Betrieben."
Inflation als Risikofaktor
"Die künftige konjunkturelle Entwicklung wird neben den Folgen der Corona-Krise zunehmend auch von den wirtschaftlichen Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine beeinflusst sein", so Thomas. Im April 2022 habe sich die Industriekonjunktur jedenfalls leicht gedämpft fortgesetzt, sagte Statistik-Austria-Volkswirt Johannes Chalupa. Das Wachstum lag bei 28,1 Prozent. Gegenüber dem Vorkrisenniveau steht der Konjunkturindikator für Industrie und Bau um 41,1 Prozent höher.
Fast so hoch wie das Wirtschaftswachstum ist zuletzt aber auch die Inflation ausgefallen. Im Mai lag diese laut Schnellschätzung der Statistik Austria bei acht Prozent. Mit dem andauernden Energiepreisschock - der Großhandelspreis für Gas hat sich etwa binnen eines Jahres vervierfacht - und dem Kriegstreiben ist auch weiterhin keine Entspannung in Sicht. "Die Preissteigerungen sind in der Breite der Produkte angekommen", sagte Thomas. Einer Umfrage der Statistik Austria zufolge gab ein Drittel der befragten Haushalte Einkommensverluste im vergangenen Jahr an, ein Fünftel begründete diese mit der hohen Inflation.
Bei der Arbeiterkammer geht man derzeit davon aus, dass ein Drittel der Haushalte heuer den Konsum einschränken wird. Das wird sich auch dämpfend auf das Wirtschaftswachstum auswirken. Ökonomen gehen jedenfalls davon aus, dass die Zuwächse für das zweite und dritte Quartal angesichts der derzeit angespannten Wirtschaftslage nicht mehr ganz so positiv ausfallen werden.
"Wenn die Politik jetzt nicht unmittelbar die untersten Einkommen entlastet, wäre das unverantwortlich und würde die Armut erhöhen", sagt Marterbauer in Richtung Regierung. Er fordert etwa eine Anpassung der Sozial- und Notstandshilfe sowie des Arbeitslosengeldes an die Inflation. Und auch der Mindestlohn sei mit 1.500 Euro brutto zu niedrig.