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Die Situation schönreden wollte niemand. Europas Wirtschaft gehe es schlecht, stimmten die Teilnehmenden an den Reformgesprächen des Europäischen Forum Alpbach überein. Und es müsse rasch etwas dagegen getan werden. Theoretische Ansätze gab es genug: Sie reichten von einer Änderung der Zinspolitik über Steuerbegünstigungen bis hin zu einer "Entschleunigung" der EU-Umweltpolitik.
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Christoph Leitl und Fritz Verzetnitsch sind sich einig: Zusätzliche Maßnahmen für mehr Wachstum und Beschäftigung müssen her - und zwar rasch. Die Präsidenten der Wirtschaftskammer (WKÖ) und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) fordern mehr Anreize zur Konjunkturbelebung. Während Leitl einmal mehr für eine Investitionszuwachsprämie plädierte, wünschte sich Verzetnitsch Steuerbegünstigungen für Einkommensschwache, um den Konsum anzukurbeln.
Nationale Maßnahmen reichen jedoch nicht aus. Sowohl Leitl als auch Verzetnitsch beklagten das Fehlen einer europäischen Wirtschaftspolitik. Leitl will einen neuen europaweiten Beschäftigungs- und Wachstums-Masterplan - 20 Millionen Arbeitslose seien "auch eine ungeheure Verschwendung von Ressourcen".
Harte Kritik traf einmal mehr die Europäische Zentralbank (EZB), die ein Diskussionsteilnehmer zuvor als "die dümmste aller Zentralbanken" bezeichnet hatte. Leitl warf der EZB Ineffizienz und Untätigkeit bei der Zinssenkung vor: "Jahrelang keinen Schritt zu setzen und sich dabei auf der sicheren Seite zu wähnen, ist zu wenig - dafür brauchen wir den Verein in Frankfurt nicht."
Doch auch die Sozialpartner selbst wurden in Alpbach mit Vorwürfen konfrontiert. "Die Kammern tun nichts für die Arbeitslosen. Da verhandeln die glücklichen Besitzer von Arbeitsplätzen untereinander", erklärte Claus Raidl, Vorstandschef des Edelstahlkonzerns Böhler-Uddeholm. Als eine Maßnahme gegen Arbeitslosigkeit sieht er die Erhöhung der Zuverdienstgrenzen zum Arbeitslosengeld.
Eine "Entschleunigung" der EU-Umweltpolitik wiederum wäre vielen Vertretern der Industrie lieb. Denn die "Kostendynamik" der Umweltauflagen bedrohe die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den USA und Asien. Zwar sei die Industrie mit dem umweltpolitischen Ziel im Grunde einverstanden, brauche aber mehr Zeit zur Anpassung.
Ihre Wachstumschancen habe die EU jedenfalls bisher nicht genutzt, fasste Leitl zusammen. Dabei würde schon ein Wachstum von 3% zehn Millionen neue Arbeitsplätze schaffen. Doch davon ist Europa weit entfernt.