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Wachstumsziel aus den Augen

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Mehr Wachstum und Beschäftigung wollte die Europäische Union mit einer Überarbeitung der Lissabon-Strategie erreichen. Doch auch dies hängt nun von einer Einigung auf das Budget für die Jahre 2007 bis 2013 ab. Im Streit um Briten-Rabatt und Agrarförderungen droht das Ziel der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit in den Hintergrund zu geraten.


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Ein Einfrieren des britischen Beitrags-Rabatts komme nicht in Frage. Einmal mehr lehnte Tony Blair nach seinem Treffen mit dem EU-Ratsvorsitzenden Jean-Claude Juncker gestern, Dienstag, den luxemburgischen Kompromissvorschlag ab. Denn dies würde sein Land in den Jahren 2007 bis 2013 zwischen 25 und 30 Mrd. Euro kosten, erklärte der britische Premier.

Statt den Briten-Rabatt zu revidieren, sollten die EU-Agrarausgaben gekürzt werden, forderte Blair. Dies schließt wiederum der französische Staatspräsident Jacques Chirac aus. Frankreich gehört zu jenen Ländern, die am meisten von den Agrarförderungen profitieren.

Vor einem offenen Konflikt beim Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs in den kommenden Tagen warnte zuletzt EU-Handelskommissar Peter Mandelson. Zugleich schlug er vor, die neuen und ärmeren EU-Mitgliedsstaaten aus der Pflicht zur Mitfinanzierung des Briten-Rabatts zu entlassen. Damit würde London auf rund 440 Mio. Euro jährlich verzichten, erläuterte der Brite Mandelson.

Heilige Landwirtschaft?

Auf einiges mehr verzichten müssten alle EU-Staaten, sollte es zu keiner Einigung auf den Finanzrahmen 2007 bis 2013 kommen - oder wenn die Budgetposten gekürzt werden. Sah die Kommission Ausgaben in Höhe von mehr als 1.000 Mrd. Euro vor, plädiert der Ratsvorsitz für eine Beschränkung auf 875 Mrd. Euro. Dies würde auch weniger Geld für Maßnahmen zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit Europas bedeuten. Doch gerade Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen hat sich die EU-Kommission zum obersten Ziel gesetzt.

Ohne Einigung auf das Budget droht dies in den Hintergrund zu rücken. "Dann müssen sich die Mitgliedsstaaten etwas anderes überlegen, um Wachstum und Beschäftigung zu fördern", erklärte Heinz Zourek, stellvertretender Generaldirektor der Abteilung Unternehmen und Industrie in der EU, bei einem Besuch in Wien. Es sei die Entscheidung der EU-Staaten, ob die Landwirtschaft heilig und Innovation weniger wichtig sei. Während in den Agrarsektor mehr als 40 Prozent des EU-Budgets fließen, sind zwei Prozent des Volkseinkommens für Bildung vorgesehen.

Qualität für Wachstum

Die Kommission schlug eine Verdopplung der Forschungsausgaben auf 68 Mrd. Euro vor. Denn um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und den Abstand zu den USA oder Asien zu verringern, müssen qualitätsvolle Produkte angeboten werden, argumentiert Zourek. Und für deren Herstellung sind qualifizierte Arbeitskräfte nötig.

Aufholbedarf hat dabei nicht zuletzt Österreich. Wie aus einem Innovationsindex der EU hervorgeht, liegt das Land in etlichen Bereichen - etwa beim Wachstum der Innovationskraft oder bei Akademikern in Innovationsberufen - unter dem EU-Schnitt. Besser schneidet es bei europäischen Patenten oder innovativen Kooperationen bei Klein- und Mittelbetrieben ab. Eines der größten Probleme der EU ist für Zourek der Mangel an neu geschaffenen Arbeitsplätzen - und nicht deren Verlagerung in so genannte Billiglohnländer. EU-weit seien nämlich in den letzten zwei Jahren 77 Prozent der Arbeitsplätze durch firmeninterne Umschichtungen verloren gegangen - und nur sieben Prozent durch Verlagerungen. In Österreich waren es sogar nur 0,7 Prozent.