Moussavi denkt nicht ans Aufgeben. | Ahmadinejad auf Ministersuche. | Teheran/Wien. Wie erwartet wurde die umstrittene zehnte Präsidentschaftswahl im Iran von der obersten Wahlbehörde, dem Wächterrat, am Montagabend nach einer Neuauszählung von zehn Prozent der Stimmen vor laufenden Kameras bestätigt. Damit ist der Sieg von Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedjad bei den Wahlen am 12. Juni aus offizieller Sicht zwar rechtmäßig, die Diskussionen rund um den Vorwurf des Wahlbetrugs reißen aber dennoch nicht ab.
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Für Beobachter war die Neuauszählung einiger Stimmen ohnehin nur ein taktischer Schachzug der Führung, um die Massenproteste gegen das Ergebnis in Zaum zu halten. So ist es kein Zufall, dass der Vorsitzende des Wächterrats, der ultrakonservativer Geistliche Ahmad Jannati, 82, in einem Schreiben an das Innenministerium erklärte, dass bei der Neuauszählung "keine größeren Unregelmäßigkeiten" bei der Wahl sowie von deren Auswertung festgestellt worden seien. Jannatis unnachgiebiger Auftritt untermauert das harte Durchgreifen der konservativen Machtbasis rund um den obersten geistlichen Führer Ali Khamenei. Jannati, der auch als Freitagsprediger fungiert, sieht die Europäer als Ursache der Unruhen im Iran. In der Vergangenheit bezeichnete er die Engländer als Väter des Großen Satans.
Um etwaigen Demonstrationen vorzubeugen, wurde im gesamten Land die Polizeipräsenz massiv verstärkt. Wie Augenzeugen gegenüber der "Wiener Zeitung" bestätigten, wurden in der Hauptstadt Teheran alle großen Plätze am Dienstag in Polizeistationen umgewandelt. Zudem wurde erneut das Mobilfunknetz lahmgelegt und die Internetverbindungen deutlich verlangsamt. Auch Stromausfälle häufen sich.. Seit einigen Tagen werden auch Satellitenschüsseln von Basijmilizen systematisch entfernt, damit die Bürger keine ausländischen Medienberichte sehen können.
Ans Aufgeben will der Herausforderer Ahmadinejads, Mir Hossein Moussavi, trotz all dieser Rückschläge dennoch nicht denken. Er beharrt nach wie vor auf einer Sonderkommission, die die Wahl überprüft, oder auf eine Neuwahl. Wie es mit den Protesten der Opposition weitergeht, scheint zwar unklar zu sein, doch hat Moussavi einen konkreten Vorschlag zur "Lösung aller Probleme" auf seiner Website angekündigt. Der Oppositionschef selbst ist in den letzten Tagen kaum in der Öffentlichkeit gesehen worden. Immer wieder gab es zuletzt Gerüchte, er stehe unter Hausarrest. Von der Präsenz, die die ersten Tage der großen Proteste ihre Wirkung entfaltet hatte, ist nun kaum noch etwas zu spüren.
Indes ist der alte, neue Präsident auf Ministersuche. Seinem neuen Kabinett, so munkelt man in Teheran, sollen mehrere derzeitige Mitglieder nicht mehr angehören. Die Suche dürfte insofern schwierig werden, als das die Minister vom Parlament abgesegnet werden müssen und viele Abgeordnete bereits signalisiert haben, dass sie es "Ahmadinejad nach dieser Darbietung sicherlich nicht leicht machen würden."