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Wackelige Hoffnung auf Frieden

Von Gerhard Lechner

Politik

Armenien und Aserbaidschan haben sich in Wien auf eine Waffenruhe geeinigt.


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Wien/Baku/Stepanakart. Jahrzehntelang hocken sich in Berg-Karabach bereits armenische Separatisten und die aserbaidschanische Armee in Schützengräben gegenüber. Man belauert sich, gelegentlich fallen Schüsse, immer wieder gibt es Tote. Wurde ein Waffenstillstand vereinbart, so hat er nie lange gehalten. Manchmal brachen auch besonders blutige Kämpfe aus - so wie vor mehr als einem Monat Anfang April: 110 Soldaten und Zivilisten wurden da bei intensiven Kämpfen getötet. Erst ein Waffenstillstand unter russischer Vermittlung beendete das Blutvergießen - vorerst jedenfalls.

Nun haben sich die Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans, Sersch Sarksyan und Ilham Aliyew, in Wien auf eine neue Waffenruhe geeinigt. Es war das erste Treffen der beiden Politiker seit den Kämpfen im April. Doch der Versuch, eine friedliche Koexistenz zu ermöglichen, wurde von militärischer Begleitmusik überschallt: Etwa zur selben Zeit, als sich Sarksyan und Alijew in Wien auf die Waffenruhe einigten - also in der Nacht auf Dienstag -, wurden an der Front bereits wieder zwei Soldaten, ein Armenier und ein Aserbaidschaner, getötet. Beide Staaten beschuldigten sich gegenseitig, die Waffenruhe gebrochen zu haben.

Großer Bruder Türkei

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow begrüßte das Ergebnis der Verhandlungen in Wien dennoch. "Wir wollen glauben, dass es eine Basis für vorsichtigen Optimismus gibt", formulierte er. Sarksyan und Alijew hatten sich mit Vermittlern aus Russland, Frankreich und den USA getroffen - unter anderem mit US-Außenminister John Kerry und seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow.

Der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um die formal zu Aserbaidschan gehörende, von Armeniern bewohnte Region Berg-Karabach im Südkaukasus ist der älteste in einer ganzen Reihe von eingefrorenen Konflikten im postsowjetischen Raum. Bereits zu Sowjetzeiten, in den 1980er Jahren, brachen Kämpfe aus. Seitdem kocht der armenisch-aserbaidschanische Dauerkonflikt immer wieder hoch. Die muslimischen Aserbaidschaner werden von ihren "großen Brüdern", den Türken, unterstützt - das religiöse Bekenntnis und die ethnische Verwandtschaft der beiden Turkvölker verbinden ebenso wie der gemeinsame Feind Armenien.

Das christliche Armenien wiederum kann auch auf einen großen Bruder zählen: Russland. "Dass die Russen in ihrem Konflikt mit der Türkei die Kurden unterstützten, war für die Türkei ein casus belli", sagt der Politologe Hans Georg Heinrich der "Wiener Zeitung". "Jetzt versuchen die Türken, Russland mit ihrer Unterstützung Aserbaidschans zu ärgern", analysiert der Kaukasus-Experte. Das Ergebnis: ein klassischer Stellvertreterkrieg.

Generell prallen im Südkaukasus viele strategische Interessen aufeinander. Die Region ist - etwa auch für den Westen - energie- und geopolitisch von großer Bedeutung. "So könnte der Wiedereintritt des Iran ins Ölgeschäft nach dem Ende der Sanktionen durch den Westen zum Problem für Russland werden, das bisher mit Teheran gut zusammengearbeitet hat", sagt Heinrich. "Der Konflikt des Iran mit Aserbaidschan, der mehrere Jahre geschwelt hat, dürfte nämlich beigelegt sein" - ein Konflikt, der Russland genutzt hat, das jetzt Marktanteile verlieren könnte.

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