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Wackelt die Vollbeschäftigung?

Von Stefan Melichar

Wirtschaft

Experten erwarten heuer kaum Abbau der Arbeitslosigkeit. | "Notwendige Maßnahmen helfen nur langfristig." | Wien. Ungeachtet der guten Entwicklung am Arbeitsmarkt in den vergangenen Monaten droht die Bundesregierung an ihrem Hauptziel "Vollbeschäftigung bis 2010" zu scheitern. Von Vollbeschäftigung ist definitionsgemäß dann die Rede, wenn die Arbeitslosenquote nach der Berechnungsmethode der EU-Statistikbehörde Eurostat unter vier Prozent sinkt.


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Trotz Hochkonjunktur im Jahr 2007 und zweier Ausnahmewinter in Sachen Bauwirtschaft hielt die Quote im Dezember beharrlich bei 4,3 Prozent. Wirtschaftsforscher rechnen nicht mit einem deutlichen weiteren Rückgang.

"Auch ein sehr starker Wirtschaftsaufschwung reicht nicht immer aus, um alle Menschen in Beschäftigung zu bringen", meint Helmut Hofer, Arbeitsmarktexperte des Instituts für Höhere Studien (IHS) gegenüber der "Wiener Zeitung". Er sei skeptisch, so Hofer, ob derzeit in Österreich die Arbeitslosigkeit kurzfristig überhaupt stärker gesenkt werden kann.

Ausnahmesituation Bau

Helmut Mahringer vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) geht davon aus, dass jene Phase noch nicht gänzlich vorbei ist, in der auch schwerer vermittelbare Personen - aufgrund eines konjunkturell bedingten Arbeitskräftemangels - bessere Chancen am Job-Markt haben. Gerade im Tourismus und in der Bauwirtschaft - zwei Bereiche, die hauptverantwortlich für den jüngsten Rückgang der Arbeitslosigkeit zeichnen - sei nicht unbedingt nur hochqualifiziertes Personal gefragt.

Allerdings erleben wir derzeit witterungsbedingt eine Ausnahmesituation: Während in den Bergen der Wintertourismus floriert, ist es im Flachland den Baufirmen dennoch möglich, ihre vollen Auftragsbücher abzuarbeiten.

Quote könnte steigen

Mahringer rechnet deshalb zunächst noch mit einem weiteren Abbau der Arbeitslosigkeit, der allerdings im weiteren Jahresverlauf zum Stillstand kommen dürfte. Die Eurostat-Quote für das Gesamtjahr werde heuer, so der Wifo-Experte, von 4,3 auf 4,2 Prozent sinken. Für 2009 prognostiziert Mahringer aber sogar wieder einen leichten Anstieg.

Helmut Hofer vom IHS erwartet heuer - so die Konjunktur nicht stärker als erwartet einbricht - eine "stabile Arbeitslosenrate". Notwendige arbeitsmarktpolitische Schritte wären, so Hofer, die Senkung der Arbeitskosten und die Beseitigung von Qualifikationsdefiziten - etwa bei Personen mit Migrationshintergrund. Beides würde aber, so der IHS-Experte, nur längerfristig etwas bringen.

Dies gilt wohl auch für ein Maßnahmenbündel zur besseren Integration älterer Arbeitskräfte in den Job-Markt, das sich Mahringer wünscht. Gerade dieser Personenkreise würde durch die Sondersituation in Bauwirtschaft und Tourismus wenig profitieren. Auf längere Sicht sei es aufgrund der demographischen Rahmenbedingungen notwendig, die Weiterbildung älterer Arbeitnehmer zu fördern oder deren Arbeitsumgebung gezielt an die Bedürfnisse Älterer anzupassen.