In Tokio und Seoul wachsen Zweifel an der Verlässlichkeit der USA als Schutzmacht.
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Pjöngjang/Washington. Für Nordkorea war es, wie dessen Staatsmedien verlautbarten, das "Treffen des Jahrhunderts". Für US-Präsident Donald Trump - den selbsternannten Dealmaker, der sich bisher eher als Dealbreaker profilierte - war das Treffen mit Nordkoreas Staatschef Kim Jong-un einfach nur "großartig". Seine Basis in den USA feiert die Verhandlungskünste ihres Präsidenten. Der konservative Sender Fox News kommentierte, Trumps Politik der Stärke, die an seinen Vorgänger Ronald Reagan erinnere, habe Kim an den Verhandlungstisch gezwungen.
Doch wie lange wird die Vereinbarung von Singapur halten? Wie sehr können Kim und Trump, die beiden Alphatiere, ihre Emotionen zügeln und ihren Stolz hintanstellen? Es dauerte jedenfalls nur ein paar Stunden, und schon formulierte Kim eine Bedingung für den von ihm geforderten Verzicht auf Atomwaffen: Die Denuklearisierung hänge vom Ende der Feindschaft ab, sagte der nordkoreanische Diktator. Um das zu garantieren, brauche es "rechtliche" und "institutionelle" Maßnahmen. Die Einladung zu einem Besuch in Washington, die Trump aussprach, nahm Kim an und lud seinerseits den US-Präsidenten nach Nordkorea ein.
"Anerkennung Nordkoreas"
"Die Schwäche des Abkommens besteht darin, dass es eigentlich nur eine Absichtserklärung ist", sagt Heinz Gärtner, Politologe an der Universität Wien. "Es gibt in dem Papier keine Umsetzungsschritte, keinen Zeitplan, nichts dergleichen, es ist sehr allgemein gehalten" und insofern auch jederzeit kündbar, analysiert Gärtner im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Der Umstand, dass Trump das Iran-Abkommen - "das bestausgehandelte Rüstungskontrollabkommen der Geschichte" - als schlechten Deal bezeichne, während er seine Abmachung mit Nordkorea über den grünen Klee lobe, sei rational nur schwer verständlich, meint der Politologe.
Dennoch findet Gärtner auch Substanzielles an dem Ergebnis der Unterredung von Singapur: "Es wird darin von einer Denuklearisierung der gesamten koreanischen Halbinsel gesprochen", sagt Gärtner. Auch die USA, die im Umkreis Nordkoreas mit atomgetriebenen U-Booten präsent seien, müssten sich daran halten. Deshalb sei die Aussage Trumps, die "Kriegsspiele" müssten eingestellt werden, auch folgerichtig.
"Weiters ist in dem Abkommen von einem ‚dauerhaften Frieden‘ die Rede. Das klingt recht allgemein, gemeint ist aber die alte nordkoreanische Forderung nach einem Friedensvertrag, der den Korea-Krieg von 1953 quasi offiziell beenden würde", sagt Gärtner. "Würde ein solcher Vertrag von den USA und China unterzeichnet, würde das auch die Anerkennung Nordkoreas durch die USA bedeuten", schlussfolgert Gärtner.
Tokio und Seoul nicht begeistert
Sind das die Zuckerl, die Nordkorea zu einer Abkehr von seinem Weg der Isolation und Abschottung bringen können? Optimisten verweisen darauf, dass sich die Wirtschaft Nordkoreas in letzter Zeit zunehmend öffnet. Kim könnte also den Weg Chinas beschreiten. Pessimisten erinnern daran, dass Kim ebenso sprunghaft agiert wie seine Vorgänger.
Und manchen jagt der neue amerikanische Nordkorea-Enthusiasmus auch Angst ein: Japan und Südkorea sind nur mäßig begeistert von Trumps Ankündigung, die gemeinsamen Manöver zum Schutz Südkoreas einzustellen. Der US-Präsident hatte darüber hinaus noch angekündigt, die zehntausenden Soldaten, die in Südkorea stationiert seien, "irgendwann" wieder heim zu holen.
Der japanische Verteidigungsminister Itsunori Onodera bezeichnete die Militärpräsenz der USA in Südkorea und die gemeinsamen Manöver als wichtig für die Sicherheit in Ostasien. Aus dem Büro des südkoreanischen Präsidenten hieß es, man müsse zunächst herausfinden, was genau Trump gemeint habe.
China indes zeigte sich erfreut. Trump und Kim hätten faktisch Chinas Vorschlag aufgegriffen, dass Nordkorea seine Atom- und Raketentests und die USA ihre Militärmanöver aufgeben.