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Waffengegner kämpfen in politischem Minenfeld

Von Alexander Dworzak

Analysen

Politik sucht nach Mitteln gegen die bisher unantastbare NRA.


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Nach vier Tagen ist das Schweigen gebrochen. "Schockiert, traurig und todunglücklich" zeigt sich die National Rifle Association (NRA) in einem dürren Kommuniqué über den Amoklauf von Newtown, bei dem 20 Volksschüler und sechs Erwachsene vergangenen Freitag erschossen wurden. Sie werde "ihren Beitrag leisten sicherzustellen, dass so etwas nie wieder passiert", verlautbart die NRA nun kryptisch.

Die mächtigste Lobby der Vereinigten Staaten ist erstmals seit Jahren in der Defensive. Es klingt zynisch: Erst der Tod von Kindern vermochte das Umdenken herbeizuführen. Als 2007 ein Amokläufer 32 Studenten und Lehrer erschoss, änderte sich nichts an den Waffengesetzen. Doch nun ebben Schock und Zorn in Amerika nicht ab; für die Demokraten und Präsident Barack Obama eröffnet sich damit Handlungsspielraum.

Dabei schien die NRA ihren "Krieg gegen Waffenkontrolle", wie es CBS-Grandseigneur Bob Schieffer formulierte, 2004 gewonnen zu haben. Damals lief eine über zehn Jahre dauernde Verordnung aus, die den Besitz von Sturmfeuerwaffen einschränkte.

Rauchverbot als Vorbild?

Bloß: wie ankommen gegen eine Gruppierung mit vier Millionen Mitgliedern, die extrem gut mobilisierbar sind? Eine Lobby, die 240 Millionen Dollar allein im Jahr 2010 für Kampagnen ausgab - 25 Mal so viel wie eine NGO, welche die Verschärfung der Waffengesetze propagiert. Eine Organisation, die im Ruf steht, Politikern zur Wahl verhelfen oder deren Karriere beenden zu können.

Am offensivsten stemmt sich New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg gegen die NRA. Er ist politisch unumstritten und als Milliardär finanziell von Interessensgruppen unabhängig. Ein Weg für strengere Waffengesetze wäre das von ihm bei der Einführung des strikten Rauchverbots ab 2002 angewandte "paternalistische Modell". Sämtliche behördlichen, politischen und rechtlichen Möglichkeiten würden dabei kompromisslos ausgeschöpft.

Mit Erfolg, wie das Rauchverbot zeigt: Heute greifen nur mehr 14 Prozent der New Yorker zum Glimmstängel, davor waren es 22 Prozent. Bei Waffen hieße das zuallererst eine Aufwertung des Amts für Alkohol, Tabak, Schusswaffen und Sprengstoffe des Bundes, um neue Gesundheits- und Sicherheitsstandards festzulegen.

Der präsidiale Politikstil entspricht eher dem "moralischen Modell", konstatiert das Magazin "Slate": In diesem Fall hält Obama eine bewegende Rede, plädiert für einen Wandel und legt dessen Umsetzung in die Hände des Kongresses.

Wählt Obama jenen Weg, würde er der NRA in die Hände spielen. Im Repräsentantenhaus halten die Republikaner die Mehrheit. "Waffenkontrolle ist nichts, was ich unterstützen würde", tönte Robert Goodlatte, designierter Vorsitzender des Justizausschusses. Noch ist die Angst vor der Waffenlobby groß, noch gilt die normative Kraft des Faktischen. Die Waffengegner begeben sich auf ein politisches Minenfeld.