Zum Hauptinhalt springen

Waffenstillstand und freie Wahlen

Von Siobhán Geets, Arian Faal und Michael Schmölzer

Politik
US-Außenminister John Kerry (Mitte) und sein russischer Amtskollege Sergei Lawrow (Mitte/rechts) am Verhandlungstisch mit Vertretern aus insgesamt 17 Nationen, der EU und der UNO im Wiener Hotel Imperial. AFP/Joe Klamar

USA wollen im Kampf gegen IS Spezialeinheit nach Syrien schicken. Weiterhin Differenzen über die Zukunft von Assad.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Die wichtigste Meldung des Tages kam nicht aus den Räumen des Wiener Hotel Imperial, sondern direkt aus Washington: Ein US-Regierungsvertreter sagte am Freitag, dass die USA Elitesoldaten nach Syrien schicken wollen. Präsident Barack Obama habe die Entsendung einer "kleinen Einheit von US-Spezialkräften" in den Norden Syriens genehmigt - eine Kehrtwende gegenüber seiner bisherigen Politik des "No more boots on the ground!". Es handle sich um "weniger als 50" Elitesoldaten, die örtliche Bodentruppen - gemeint sind wohl syrische und kurdische Kämpfer - im Gefecht gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) koordinieren sollten. Damit verstärken die USA ihre Präsenz in Syrien - zu einem Zeitpunkt, in dem auch Russland militärisch immer aktiver wird.

Indes waren die Erwartungen an die Gespräche in Wien, an denen die Außenminister der USA, Saudi-Arabiens, der Türkei, Russlands, Deutschlands, des Oman und erstmals auch des Iran teilnahmen, gering. Nach vier Jahren Krieg ist der Karren derartig festgefahren, dass rasche Erfolge außer Griffweite sind. "Was wir bewirkt haben, ist, dass ein Gesprächsprozess gestartet wurde", brachte ein arabischer Diplomat das vorläufige Resultat des Syrien-Gipfels Freitagmittag auf den Punkt. Immerhin sind diesmal alle maßgeblichen internationalen Akteure nach Wien gekommen. "Wir sind in der Startphase", bestätigt ein Konferenzteilnehmer gegenüber der "Wiener Zeitung".

So gilt es bereits als Erfolg, dass die saudische Delegation den Raum bei der Rede des iranischen Außenministers Mohammad Javad Zarif nicht verlassen hat. Die Erzrivalen Saudi Arabien und Iran trauen einander nicht über den Weg. Dass nun beide Mächte in die Verhandlungen eingebunden wurden, gilt als großer Erfolg des Oman, der eine wichtige Vermittlerrolle übernommen hat.

Was die künftige Rolle des syrischen Machthabers Bashar al-Assad betrifft, gibt es grundlegende Differenzen. "We agree to disagree" meinte US-Außenminister John Kerry dazu kryptisch in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow. Die USA fordern, dass Assad sofort entfernt wird. Russland will, dass das syrische Volk in Wahlen über den Präsidenten entscheidet.

Mehr-Punkte-Programm

Das Treffen in Wien hat keine greifbaren Fortschritte gebracht. Immerhin: Auf eine gemeinsame Vision konnte man sich einigen. So soll es einen landesweiten Waffenstillstand geben - der freilich für den Kampf gegen den IS und die Al-Nusra-Front nicht gilt. Außerdem sind Wahlen unter UN-Aufsicht geplant. In dem Mehr-Punkte-Programm ist festgelegt, dass Syrien nicht geteilt wird und unabhängig bleibt. Die Rechte aller Syrer sollen geschützt und die Hilfe für Vertriebene im Land erhöht werden. Der Islamische Staat, so heißt es in der Erklärung, müsse besiegt werden.

In 15 Tagen spätestens wird dann weiterverhandelt. "We ’ll be back", zitierte Lawrow vor internationalen Medienvertretern Arnold Schwarzenegger in seiner Parade-Rolle als "Terminator".

Unklar bleibt, wie stark Russlands Unterstützung für die Person Assad ist. Moskau will in erster Linie seinen Einfluss in Syrien aufrecht erhalten und hat mehrfach angedeutet, nicht um jeden Preis an Assad festhalten zu wollen. Auch die iranische Führung,, die den Diktator eigentlich an der Macht halten will, deutete an, dass sie mit einer sechsmonatigen Übergangsfrist einverstanden wäre, nach der Wahlen über sein Schicksal entscheiden sollten.

Über Wahlen nachzudenken, hält George Saba von der oppositionellen Syrischen Nationalkoalition, für "Wahnsinn". Die Konferenz in Wien sei eine "Karnevalsveranstaltung", die nicht die wirklichen Probleme des Landes angehe. Ob der Aufruf zu einem landesweiten Waffenstillstand Gehör findet, ist zweifelhaft.

Während die USA Spezialkräfte nach Syrien schicken, wird Assads Armee von Moskau unterstützt. Unter großem medialem Getöse startete Russland Ende September seine Militäroffensive zur Unterstützung des Regimes. Wie lautet ein Monat später das Fazit? Die "Welt" spricht von einem "Desaster", von einem "verpufften Aufwand". 100 Millionen Euro habe die Offensive verschlungen, wenig sei vorzuweisen, mittlerweile schlage der IS zurück und habe die syrische Armee von ihrer einzigen Nachschubroute abgeschnitten. Um seine Kräfte zu stärken, habe der Kreml nun Elitetruppen aus der Ukraine nach Syrien abgezogen. Nahost-Experte Walter Posch vom Wiener Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement glaubt nicht daran, dass sich der Kreml verrechnet hat: "Das Ziel, Assad vor dem Sturz zu bewahren, haben die Russen erreicht."

Tatsächlich kommt die syrische Armee, die nicht nur von Russland, sondern auch von iranischen Revolutionsgarden, schiitischen Hilfsmilizen aus dem Irak sowie der Hisbollah unterstützt wird, nur schleppend voran. Nur wenige Orte konnten zurückerobert werden. "Es war nicht der Plan, dass alles in ein paar Wochen vorbei sein wird", sagt Posch, "und es war klar, dass die Offensive teuer wird." Was die Inklusion des Iran in die Wiener Gespräche betrifft, spricht Posch von einem "wichtigen ersten Schritt". Dennoch ist noch ein weiter Weg zu gehen. Diplomaten gehen von mindestens zwei Jahren aus.