Im Zeitalter des Pauschaltourismus lohnt es sich ganz besonders, sich an jene Pioniere des Reisens zu erinnern, die es bereits in die Ferne zog, als ein solches Unternehmen noch lebensgefährlich war. Und vor allem wenn es Österreicher waren, die heute fast vergessen sind.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
„Österreicher entdecken die Welt” heißt der Band, in dem die Autorin und Journalistin Hanne Egghardt mehr als fünfzig österreichische Entdecker vorstellt, geordnet nach bereisten Regionen, Orient, Amerika, Afrika, Australien und Arktis, wobei den Weltreisenden, wie der Wienerin Ida Pfeiffer, eine eigene Abteilung vorbehalten bleibt. Doch während von Ida Pfeiffer, die im frühen 19. Jahrhundert unter anderem den Nahen Osten, China, Indien, Indonesien und Amerika bereiste, in letzter Zeit doch immer wieder die Rede gewesen war, porträtiert Egghardt viele Reisende, die dem öffentlichen Bewusstsein weitgehend entschwunden sind.
Wenigen Österreichern ist vermutlich die Geschichte von Friedrich Julius Bieber geläufig. Der Sohn eines Wiener Bankbeamten kam 1873 zur Welt. Da die Familie nach dem Tod des Vaters verarmt war, erlernte der junge Mann zuerst den Beruf des Schusters, dann den des Buchhändlers. Bereits im Alter von 15 Jahren unternahm er den ersten Versuch, nach Abessinien, dem heutigen Äthiopien, zu reisen. Später faszinierte ihn dann vor allem das Königtum Kaffa, das Heimatland des Kaffees, das nach dem Krieg von 1897 äthiopische Provinz wurde und dessen König er für einen Nachfahren einer Seitenlinie der ägyptischen Pharaonen hielt. Da sich Bieber zu jener Zeit in Wien durch seine Vorträge und durch seine Kenntnisse der amharischen Sprache einen guten Ruf erworben hatte, wurde er 1904 als österreichischer Spezialkurier nach Addis Abeba entsandt. In den folgenden Jahren war er einer der ersten Europäer, der die Geschichte des für viele Jahrhunderte isolierten Königreichs Kaffa dokumentierte. Er starb im Jahr 1924 - wie viele der Weltreisenden jener Zeit - an den Spätfolgen der Malaria.
Auch der Linzer Andreas Reischek, der 1845 zur Welt kam, stammte aus einfachen Verhältnissen. Er war Halbwaise und erlernte deswegen das Handwerk des Bäckers. Seine Leidenschaft gehörte jedoch der Zoologie, Botanik, Mineralogie und Geologie und er bildete sich als Autodidakt weiter. Seinem Ruf als Hersteller von Tierpräparaten verdankte er ein Engagement an dem neugeschaffenen naturhistorischen Museum von Wellington, Neuseeland. Dort befreundete er sich mit einem Maori, erlernte dessen Sprache und unternahm ab 1879 ausgedehnte Reisen auf der Insel. Als erster Weißer erhielt er die Erlaubnis, das Königsland zu betreten, jene Region, in die sich die Maori nach ihrer Niederlage gegen die Engländer zurückgezogen hatten. Er wurde bei den Maoris außerordentlich beliebt, lehnte aber das Angebot ab, eine Häuptlingstochter zu heiraten und als Häuptling Reischek zu bleiben. 1889 kehrte er nach Wien zurück. Angebote in Neuseeland, seine einzigartige Sammlung zu verkaufen und auf diese Art ein reicher Mann zu werden, lehnte er ab, weil er seine Schätze nach Hause bringen wollte. Umso überraschender war es für ihn, dass man sich in der Heimat dafür nicht interessierte. Überliefert ist der Kommentar eines Zöllners zu der umfangreichen Sammlung: „Wer interessiert sich schon für so viele einbalsamierte Vögel von die Fidschi-Inseln!”
Wie Reischek und Bieber ist heute auch Christoph Carl Fernberger von Egenberg, der erste österreichische Weltumsegler, heute nur noch Spezialisten bekannt. Geboren zwischen 1596 und 1600 in der Nähe von Ybbs an der Donau, genoss er eine gute Ausbildung und wurde zunächst Offizier der spanischen Armee. Später beteiligte er sich am Freiheitskampf der Niederlande, geriet in Gefangenschaft und rettete sich schließlich auf ein Schiff der „East India Company”, das nach Afrika unterwegs war. Nach dem Untergang dieses Schiffes wurde er von einem anderen holländischen Segler gerettet, dessen Ziel allerdings Südamerika war. Damit begann unfreiwillig eine abenteuerliche Reise um die Welt, die durch die Magellanstraße in den Pazifik führte und von dort weiter bis nach Indonesien. Später verschlug es Egenberg nach China und Japan, er erlebte vielerlei Abenteuer und erlitt im Jahr 1625 auf dem Heimweg nach Europa ein weiteres Mal Schiffbruch, dieses Mal im Golf vom Ormuz. Von Arabern gerettet, als Sklave an Armenier verkauft, kam er über Umwege, die ihn nach Macao führten, schließlich doch noch via Afrika nach Europa und traf im Juni 1628 letztlich in Dover ein. Von dort nach Wien zurückgekehrt, machte er aus seinen Tagebucheinträgen ein fast dreihundert Seiten starkes „Raisbuch”, einen der ersten großen Reiseberichte eines Österreichers. 1653 starb Christoph Carl Fernberger von Egenberg in Brunn am Gebirge.
Das Buch von Hanne Egghardt ist eine Fundgrube solcher Geschichten, allesamt lebendig erzählt und sorgfältig illustriert. Sie schärfen den Sinn für das Abenteuer, das einst Reisen zugrunde lag, die heutzutage bequem über das Internet gebucht und in ein paar Wochen absolviert werden können.
BUCH:
Hanne Egghardt: Österreicher entdecken die Welt. Forscher, Abenteurer, Pioniere. Verlag Styria Premium, 2011, 253 Seiten, 24,95 Euro