Landeshauptmann Kaiser: "Kleines Glücksspiel ist großes Pechspiel."
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Die SPÖ feilt an ihrem Wahlprogramm, das sie am 3. August beschließt. Wie die "Wiener Zeitung" aus Parteikreisen erfuhr, wird die Partei darin das Verbot des Kleinen Glücksspiels fordern - und zwar österreichweit. Der entsprechende Punkt hat einen Fixplatz im Wahlprogramm.
Unter das Kleine Glücksspiel fallen tausende Spielautomaten, die außerhalb von Kasinos stehen - in Tankstellen, Wirtshäusern, Spielsalons oder verspiegelten Kabinen, die sich in den urbanen Räumen ins Stadtbild gefressen haben. In Wien steht die Reinprechtsdorfer Straße prototypisch für diese Entwicklung. Der Höchsteinsatz pro Spiel liegt bei zehn Euro. Von diesen Automaten in Spielhallen, Spielsalons oder Kabinen geht das höchste Risiko aus, spielsüchtig zu werden (Kalke-Studie, 2011).
Erfolg der roten Parteibasis
Was die SPÖ fordert, ist nichts anderes als das Wiener Modell für ganz Österreich. In Wien werden ab 2015 keine neue Konzessionen für Automaten mehr ausgegeben, was de facto einem Verbot entspricht. Dieses Verbot geht auf einen Coup der SPÖ-Splittergruppe Sektion 8 am Landesparteitag 2011 zurück. Gegen den Widerstand der Wiener Parteigranden, die um jährliche Steuereinnahmen aus dem Glücksspiel von 55 Millionen Euro fürchteten, mobilisierte die Sektion 8 und brachte den Antrag knapp durch. Am Bundesparteitag 2012 wiederholte sich das Spiel mit der Forderung nach einem Verbot in ganz Österreich, eingebracht von der Sozialistischen Jugend, der SPÖ Steiermark und SPÖ Kärnten. Von 683 Delegierten stimmten nur zehn gegen den Verbotsantrag. Mit der Aufnahme ins Wahlprogramm haben sich die Automatengegner parteiintern nun ein drittes Mal durchgesetzt.
"Das Kleine Glücksspiel ist das große Pechspiel. Ziel ist und bleibt das Verbot des Kleinen Glücksspiels - bundesweit", lässt der Kärntner SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser der "Wiener Zeitung" ausrichten.
Doch das automatenfreie Österreich wird wohl ein hehres Ziel der SPÖ bleiben. Erstens sind für die meisten Automaten die Länder zuständig, zweitens sind die ÖVP und ihre Länder geschlossen gegen ein Verbot. Nur die Grünen sind voll auf Linie der SPÖ. Die Position der FPÖ war am Freitag nicht zu erfahren. Der Klubobmann des Team Stronach, Robert Lugar, sagt: "Es gibt Familienväter, die ihr hart verdientes Geld in die Automaten stecken. Wir sind da sehr kritisch. Der Kunde verliert immer, sonst könnten sich Spielkonzerne keine Paläste bauen. Aber was Verbote betrifft, sind wir generell zurückhaltend." Sein Parteichef, Frank Stronach, hatte 2011 selbst Ambitionen im Kasino- und Automatengeschäft.
Rote Länder sind gespalten
"Landeshauptmann Franz Voves steht zum Beschluss des Landesparteitags, das Kleine Glücksspiel im Gleichklang mit dem Bund abzuschaffen", lässt er über einen Sprecher ausrichten. "Derzeit ist allerdings mit dem Koalitionspartner auf Bundesebene anscheinend keine Einigung darüber zu erzielen. Als Wahlkampfthema eignet sich das Thema nur bedingt." Sein burgenländischer Kollege Hans Niessl gilt überhaupt als Gegner eines Automatenverbots.
Und welchen Weg geht das von der ÖVP absolut regierte Niederösterreich, Heimat des Automatenriesen Novomatic? "Jugend- und Spielerschutz haben in Niederösterreich oberste Priorität. Beides kann nur im erlaubten Glücksspiel durchgesetzt werden. Verbote können das Glücksspiel nicht verhindern, sondern begünstigen nur den illegalen Markt", sagt Eleonore Wolf von der zuständigen Fachabteilung in der Landesregierung. Niederösterreich setzt auf die sogenannte "Novocard", eine persönliche Zutrittskarte in die Automatensalons. Günter Stummvoll, der für die ÖVP das letzte Glücksspielgesetz verhandelte und danach kurz für Stronachs Glücksspielabenteuer den Aufsichtsratschef gab, sagt: "Schon die Römer spielten. Ein Verbot wäre, als würde man Alkohol verbieten. Man verdrängt es in den Untergrund."
Steigert Angebot Nachfrage?
Dahinter steckt die Logik, dass Spieler immer einen Weg finden. Bei einem Verbot wechseln sie einfach auf illegale Automaten im Hinterzimmer oder ins Internet - für die Sektion 8 "ein Mythos".
"Klar wird es immer Spieler geben. Im Kasino würde es ja auch weiterhin Automaten geben. Aber wenn das Kleine Glücksspiel verschwindet, werden deutlich weniger Menschen spielsüchtig, weil sie gar nicht erst damit in Berührung kommen", heißt es in einem Positionspapier. Gegen illegale Automaten gehe die Exekutive schon jetzt hart vor, ein Verbot würde den Kampf noch erleichtern. Und das Internet? 80 von 100 Patienten der Suchthilfe Wien würden nicht im Netz, sondern am Automaten zocken.
Fallen Länder-Verbote?
In ganz Kärnten verstreut werden auch die nächsten 15 Jahre Hunderte Automaten stehen. Grund: Die FPK vergab kurz vor ihrer Abwahl noch rasch die Lizenzen. Landeshauptmann Kaiser zürnt. "Wäre das nicht geschehen, hätte es die Chance gegeben, vielen Familien Unheil zu ersparen."
Und auch in Wien könnte nach dem Verbot 2015 auf hunderten Automaten weitergezockt werden. Rund 15 Prozent der Automaten haben längere oder unbegrenzte Konzessionen, sagt der Automatenverband. Außerdem drängt die politisch top-vernetzte Novomatic, die sich zuletzt Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) angelte, auf eine Online-Lizenz. Damit könnte man theoretisch auch sogenannte Video-Lotterie-Terminals (VLT) betreiben. Das sind ganz normale Spielautomaten, nur verbunden über einen General-Server. Sie sind von Ländergesetzen - und Verboten - unberührt. Die Casinos Austria betreiben in Österreich 800 solcher VLTs. 5000 würde das Gesetz theoretisch erlauben. Ob die restlichen für Straßen wie die Reinprechtsdorfer reserviert sind?