Auf Grund des Wahlkalenders in Europa gibt es derzeit in sensiblen Fragen der Europäischen Union wie in der Erweiterung, in der Agrar- und der Asylpolitik und in Bezug auf die Zukunft des Stabilitätspaktes kein Weiterkommen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 22 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Bitte warten" heißt es vorerst auf das Ergebnis der deutschen Bundestagswahlen am übernächsten Sonntag (22. September). Und "selbst danach kann es Wochen dauern, bis die Deutschen eine Regierung haben, die in dringenden europäischen Fragen entscheiden kann", sagte ein EU-Vertreter.
Deutschland ist als größter Mitgliedstaat auch größter Nettozahler in der EU. Daher fordern die Deutschen etwa in der Agrarpolitik - sekundiert von Großbritannien und Schweden - einschneidende Reformen im Hinblick auf die bis zu zehn neuen Mitgliedsländer ab 2004. Deutschlands größter Widersacher in der EU, Frankreich, möchte wiederum mit Bedacht auf die eigenen Landwirte am derzeitigen Fördersystem festhalten. Die Außenminister - die in der EU letztlich entscheidungsbefugt sind - haben bis dato nicht ernsthaft diskutiert, geschweige denn eine gemeinsame Linie darüber gefunden, was sie den Beitrittskandidaten bei den Direkthilfen für Bauern und bei der Regionalförderung anbieten. Bis spätestens Anfang November - also nach dem informellen Gipfel (bei dem die Regierungschefs in der Regel die politischen Grundzüge für die kommenden Monate vorgeben), dessen Termin Ende Oktober aber wegen der deutschen Wahl noch verschoben werden könnte - soll das Finanzpaket geschnürt sein. "Es macht keinen Sinn darüber zu diskutieren, solange wir noch keine deutsche Regierung haben, die auch Schecks unterschreiben kann", meinte ein ranghoher EU-Vertreter.
Dennoch sollen laut offiziellem Fahrplan die Beitrittsverhandlungen bis Mitte Dezember abgeschlossen werden: Am 12. Dezember findet in Kopenhagen der offizielle EU-Gipfel statt, bei dem die Staats- und Regierungschefs jene Gruppe der tatsächlich aufzunehmenden Kandidatenländer beschließen werden. Unter Druck gerät daher die amtierende Ratspräsidentschaft Dänemarks. Man rechnet mit einem "Spurt". Aber, so heißt es, die EU funktioniere unter Zeitdruck meistens am besten.
Wegen der vorgezogenen Neuwahlen in Österreich wird die Verhandlungsposition hier zu Lande nun in Sachen Transit (siehe neben stehenden Bericht) oder Zinsbesteuerung etwa erschwert. Sobald sich nämlich der Abgang einer Regierung abzeichnet, so EU-Diplomaten, hat diese weniger Glaubwürdigkeit und weniger Gewicht, um nationale Interessen durchzusetzen.
Bis zur Wahl in Österreich dürfe nicht auf die Europapolitik vergessen werden, appellierte SP-EU-Abg. Hannes Swoboda. VP und FP sollten sich nun mit den Oppositionsparteien abstimmen: "Wir brauchen langfristige österreichische Positionen, um deren Durchsetzung in den Europäischen Institutionen zu verwirklichen."