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Wahlen im Schatten des Sultans

Von WZ-Korrespondentin Diljana Lambreva

Politik

Türkische Politiker mischen sich in den Wahlkampf in Bulgarien ein und haben einen diplomatischen Eklat provoziert.


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Sofia. (n-ost) Immer wieder versuchen Russland und die Türkei, Einfluss auf Bulgarien zu nehmen. Russland etwa finanziert Energieprojekte, die Türkei Moscheen in dem Balkanland. Nun hat sich die Türkei zum ersten Mal in den laufenden Wahlkampf eingemischt und damit einen diplomatischen Eklat verursacht.

Am 26. März wählen die Bulgaren ein neues Parlament. Nach der Schlappe bei den Präsidentschaftswahlen im November war die Mitte-Rechts-Regierung von Bojko Borissow zurückgetreten. Der pro-russische Kandidat der "Bulgarischen Sozialistischen Partei" Rumen Radew wurde Präsident. Seine Postkommunisten liegen nach Umfragen nur knapp hinter der Mitte-Rechts-Partei Gerb. Als wahrscheinlich gilt der Einzug vier weiterer Parteien ins Parlament, darunter die Partei der ethnischen Türken (DPS). Die bulgarischen Türken, die seit dem Osmanischen Reich in Bulgarien leben, bilden mit 9 Prozent der Stimmen stets das Zünglein an der Waage. In diesem Wahlkampf aber ist ihre sonst so geschlossene Gemeinschaft erstmals gespalten: Aus der Mutterpartei DPS spaltete sich vor acht Monaten die Partei Dost ab. Ihr wird direkter Einfluss aus Ankara nachgesagt.

Der Verdacht hat sich bestätigt: Der türkische Arbeits- und Sozialminister Mehmet Muezzinoglu rief Anfang März die bulgarischstämmigen Türken auf, Dost zu wählen. Etwa 100.000 Türken sind in den vergangenen Jahrzehnten aus Bulgarien in die Türkei zurückgekehrt. Mit bulgarischem Pass sind sie wahlberechtigt. Nach Muezzinoglus Aufruf bestellte die Regierung in Sofia den türkischen Botschafter ein, der auch für Dost agitiert haben soll, und zog die bulgarische Botschafterin aus Ankara ab.

Weil es in der Türkei nur wenige Wahllokale gibt, organisiert Dost zudem kostenlose Busreisen nach Bulgarien. Bulgarische Nationalisten blockierten aus Protest die Grenze zur Türkei, auch die Medien skandalisierten das Thema. Schließlich schaltete sich Recep Tayyip Erdogan ein: Der türkische Präsident forderte Bulgarien auf, keinen Druck auf türkische Bürger auszuüben. Das sei unvereinbar mit der EU-Mitgliedschaft. Bulgariens Polizei räumte am Freitagnachmittag schließlich die Blockaden gegen den "Wahltourismus" an den Grenzübergängen zur Türkei.

Flüchtlingsdeal als Druckmittel

Angesichts der unklaren Zusammensetzung von Parlament und Regierung steht Bulgarien möglicherweise vor einer politischen Dauerkrise. Doch selbst mit einer stabilen Regierung wäre Sofia nicht gut für den Interessenkonflikt mit Ankara gerüstet. Denn die Türkei hat ein starkes Druckmittel: Sollte sie wie angedroht das Flüchtlingsabkommen mit der EU aufkündigen, fürchtet Bulgarien als Nachbarland der Türkei viele Migranten.

Wie sich der Konflikt entwickeln wird, hängt auch vom Wahlausgang am Sonntag ab. Sollten die Postkommunisten gewinnen, könnten sich die Beziehungen weiter verschlechtern - die Partei von Präsident Radew gilt als Trojanisches Pferd Russlands in der EU. Mit dem liberalen Gerb-Parteichef Borissow zurück an der Regierungsspitze wäre der in Bulgarien kritisierte Opportunismus gegenüber der Türkei zurück. Borissow hatte vor seinem Rücktritt ein Jahr lang die Vermittlerrolle zwischen Brüssel und Ankara übernommen. "Keiner der anderen EU-Regierungschefs versteht die Türken so gut wie er", sagt Antonij Galabow von der Neuen Bulgarischen Universität. "Borissow konnte die EU-Interessen dem türkischen Präsidenten näherbringen."

Tichomir Bezlow, Sicherheitsexperte vom Zentrum für Demokratieforschung, spricht von einem politischen Deal: Ankara hielt die Flüchtlinge von der bulgarischen Grenze fern, Sofia lieferte türkische Regimegegner aus. Im vergangenen Sommer schob Bulgarien den in der Türkei als "Verräter" diffamierten Geschäftsmann Abdullah Büyük ab. Zuvor hatten zwei bulgarische Gerichtsinstanzen aus menschenrechtlichen Erwägungen seine Auslieferung abgelehnt. Ankara wirft dem Finanzfachmann Beihilfe zum Putschversuch im Juli 2016 vor.