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Wahlen in Armenien im Blickfeld der USA und Russlands

Von Stefan Voß

Politik

Opposition in | Eriwan hofft auf "bunte" Revolution. | Eriwan/Moskau. (dpa) Die außenpolitischen Experten in Moskau und Washington werden am 12. Mai mit gesteigertem Interesse auf die Parlamentswahlen im kleinen Kaukasus-Staat Armenien blicken. Die Opposition hat sich in der ehemaligen Sowjetrepublik das Ziel gesetzt, den Reigen der "bunten" Revolutionen - nach Georgien und der Ukraine - fortzusetzen. Dies will der scheidende Präsident Robert Kotscharian mit Unterstützung Russlands um jeden Preis verhindern. Für die USA gewinnt Armenien als nördlicher Nachbar des Iran wegen der umstrittenen Atompolitik Teherans weiter an strategischer Bedeutung.


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Vor tausenden Anhängern entwarf der armenische Oppositionspolitiker und frühere Parlamentsvorsitzende Artur Bagdassarian am vergangenen Wochenende sein Szenario für die kommenden Wochen. "Wenn wir feststellen, dass unsere Stimmen unterschlagen wurden, werden wir dagegen protestieren und den Weg bis zum Ende gehen", kündigte der prowestliche Politiker in der Hauptstadt Eriwan an.

Bagdassarian stammt selbst aus dem Regierungslager, hatte aber im Vorjahr mit Kotscharian gebrochen. Es ist für Spannung gesorgt, wenngleich Beobachter bisher keine breite Zustimmung in der Bevölkerung für die untereinander zerstrittenen Oppositionsparteien ausmachen können.

Die armenische Führung will in den kommenden Monaten einen Führungswechsel exerzieren, der Russland ebenfalls noch bevorsteht. Präsident Kotscharian darf zur Präsidentenwahl im kommenden Jänner gemäß Verfassung nicht wieder antreten. Als sein Favorit für die Nachfolge gilt Regierungschef Sersch Sarkissian, der seine Kandidatur vom Abschneiden der regierungsnahen Republikanischen Partei abhängig macht.

In der Republik herrscht zumindest auf dem Papier ein reges Parteienleben: Um die 131 Parlamentssitze bewerben sich insgesamt 23 Parteien. In Umfragen liegen die Republikaner sowie die ebenfalls Kotscharian nahe stehende Partei "Blühendes Armenien" voran. Insgesamt 2,3 Millionen Armenier sind zum ungewöhnlichen Wahltermin an einem Samstag zur Stimmabgabe aufgerufen.

Die Oppositionsparteien fürchten, dass es wieder zu massiven Wahlrechtsverstößen wie bei der vergangenen Parlamentswahl 2003 kommen wird.

Präsident Kotscharian hat schon mit Gewalt gedroht, sollte die Opposition unzufriedene Wähler mobilisieren und die "politische Stabilität" untergraben. "Hochverrat" warf Kotscharian dem abtrünnigen Bagdassarian vor, nachdem jener mit einem britischen Diplomaten in einem Restaurant zusammen getroffen war und der Geheimdienst das Gespräch heimlich aufgezeichnet hatte.

In Armenien fällt es der Staatsmacht leicht, die Bevölkerung einzuschüchtern. Das älteste christliche Staatsvolk befindet sich im Zangengriff von Türken und Aserbaidschanern, die seit Jahren ihre Grenze zu Armenien geschlossen halten. Bis heute ist die Zukunft der Region Berg-Karabach (Nagorny-Karabach) ungeklärt. Anfang der 1990er Jahre hatte das armenische Militär das überwiegend von Landsleuten bewohnte, zu Aserbaidschan gehörende Gebiet in einem der blutigsten Kriege der nachsowjetischen Zeit erobert und zehntausende Menschen vertrieben.

Allenfalls das politische Gedenken überwindet die Gräben in der armenischen Politik. Mit vereinten Kräften versucht das Land seit Jahren gegen heftigen türkischen Widerstand zu erreichen, dass die Massaker an Armeniern 1915/1916 im Osmanischen Reich international als Völkermord anerkannt werden.

Schätzungsweise eine Million Armenier leben und arbeiten im wirtschaftlich aufblühenden Russland. Auch damit erklärt sich, weshalb Armenien als letzte europäische Ex-Sowjetrepublik noch auf Gedeih und Verderb Russland die Treue hält.