Wien wählt am 11. Oktober. Das ist noch weit weg, aber Michael Ludwig hat gute Karten.
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Eine Jahrhundertrezession, wie sie der Weltwährungsfonds für 2020 vorhersagt, ist der Stoff, an dem die Wiederwahl-Träume von Regierungspolitikern zerschellen. Zu tief sitzt der Instinkt der Wähler, für ökonomisches Ungemach die Politiker abzustrafen.
Mit real existierender Verantwortung muss das nicht zwingend zu tun haben. Auch früher schon kannte das Volk bei Herrschern, bei denen zum fehlenden Glück noch Pech hinzukam, keine Gnade.
Donald Trump, der am 3. November zur Wiederwahl antritt, sucht jetzt schon panisch nach Sündenböcken, denen er den - für Friedenszeiten - apokalyptischen Einbruch der US-Wirtschaft in die Schuhe schieben kann. Eigentlich sollten ihn schwarze Rekordzahlen bei Aktien, Jobs und Gewinnen vier weitere Jahre im Weißen Haus halten, nun könnten ihn rote Rekorde hinausbefördern.
Gewiss ist das allerdings längst nicht. Zumindest in der ersten Phase der Krise haben nämlich so gut wie alle Regierungen an Vertrauen ihrer Bürger zugelegt, während die Opposition aus den Schlagzeilen verbannt ist.
Was dies für die wichtigste heimische Wahl 2020, die Wiener Gemeinderatswahl, bedeutet, steht in den Sternen. Die rot-grüne Stadtregierung hat den Termin für den 11. Oktober fixiert. Vor allem für die SPÖ ist diese Wahl von existenzieller Bedeutung: In Wien schlägt das Herz ihrer Bewegung, hier ist das Zentrum ihrer realpolitischen Macht. Werden Bürgermeister Michael Ludwig und seine SPÖ nun von ihrer Regierungsrolle nach oben oder von ihrer Oppositionsrolle im Bund nach unten gezogen?
Wenn nicht ein schwerer Managementfehler der Stadtpolitik in der Corona-Krise passiert, dürfte Ludwig mit seiner Strategie, den Wahltermin so lange wie möglich hinauszuzögern, goldrichtig liegen. Dem einzigen Herausforderer, ÖVP-Spitzenkandidat Gernot Blümel, mangelt es zwar in seinem Hauptjob als Finanzminister jetzt nicht an Scheinwerferlicht. Aber die Größe der Krise verlangt nach Kooperation - auch und vor allem mit Wien; Parteipolitik auf Kosten des Gemeinwohls könnte da bei vielen Wählern schlecht ankommen.
Die Aufräumarbeiten der wirtschaftlichen Corona-Verwüstungen könnten deshalb die "Mutter aller Wahlschlachten", als die Wien-Wahlen gerne stilisiert werden, zu einer verhältnismäßig gesitteten Auseinandersetzung machen, weil sie ÖVP, SPÖ und Grüne in geteilter Regierungsverantwortung binden. Zumal die Freiheitlichen - Stichwort FPÖ und HC Straches DAÖ - mit Schmutzwäsche im eigenen Lager beschäftigt sind und Ibiza noch längst nicht vergessen ist. Dafür werden schon die anderen Parteien mit einem rechtzeitigen Start des U-Ausschusses sorgen.